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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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war er eine ebenso perfide wie gigantische Erschleichung, eine »Eroberung auf Kosten des Kaisertums«, »Länderraub« (Haller). Dabei profitierte Innozenz vor allem durch die Bestürzung der kaiserlichen Partei und den aufflackernden Fremdenhaß der Italiener, indem er als Provokateur, als Revolutionär auftrat, als ihr Befreier, ihre Nationalmacht sozusagen und ihnen »die besondere väterliche Fürsorge des Papstes« empfahl, obwohl doch nicht mal die »Befreiten« an seinen Patriotismus glaubten. Denn in Wirklichkeit vertrieb Innozenz die Deutschen nur, um seine Macht im Kirchenstaat zu festigen und diesen zu Lasten eben des italischen Reichsbesitzes auszudehnen, vielleicht sogar in Erwartung eines, wenn auch noch fernen, päpstlichen Gesamtitalien.
    Jedenfalls ignorierte er jetzt deutsche Rechte, die nie zuvor bezweifelt worden waren. Rasch und mühelos riß er Spoleto, ein deutsches Lehnsfürstentum, an sich, setzte an Stelle des Schwaben Konrad von Urslingen den Kardinal Gregor von Santa Maria in Aquiro, während Herzog Konrad Reichsitalien sogar verlassen mußte.
    Die päpstlichen Truppen unterwarfen die Mark Ancona, ebenfalls deutsches Lehnsgebiet, wobei Innozenz den sich heftig wehrenden Markward von Annweiler in den Bann tat und auch dort die Regierungsgeschäfte einem Kardinal übertrug. Und schließlich gewann der militante Hohepriester noch einen erst unlängst verlorengegangenen Grenzstreifen im Norden, in Toskana, sowie, an der Südgrenze des Kirchenstaates, die Grafschaft Sora für seinen Bruder, den Grafen Riccardo Conti, auch wenn diese nicht unwichtige Region erst später in den vollen Besitz der Kurie überging (S. 58). 13
    Die Heiligen Väter sorgten ja meist rührend für ihre Verwandten, eine bis ins 20. Jahrhundert reichende beispielhafte Tradition, auch wenn man sie kirchlicherseits nicht so gern gerühmt sieht.
    Wie etwa Vorgänger Coelestin seine Neffen mit Kirchengütern ausgestattet, so trieb Innozenz, unter dem die Kurie zu einer Geldmacht heranwuchs, die bald jede Konkurrenz ausstach, eine sehr forcierte Sippenpolitik, wobei ein Coelestin-Neffe in einer Fehde mit Verwandten des Innozenz (mütterlicherseits) ermordet wurde: ein alter Geschlechterzwist oder, sagt Kardinal Hergenröther dezent, »Familienabneigung«. Deswegen war Innozenz von Clemens III., seinem Onkel, bereits zum Kardinal gemacht, von seinem Amtsvorgänger aber auf Distanz gehalten worden.
    Nepotismus freilich blieb Trumpf. So vermehrte der Heilige Vater, aus kirchlichem, aus kaiserlichem Gut, zusehends Reichtum und Einfluß der Seinen, der großen Familie der Conti, aus der noch drei Nachfolger des Armen Menschensohnes die Welt beglückten (Gregor IX., Alexander IV. und Innozenz XIII.), ferner viele Kardinäle und Kuriale, auch ein seliggesprochener Franziskaner. Diese Päpste ließen den Conti-Besitz in und um Rom immer mehr wachsen; die Nepotenhäuser blühten.
    Innozenz III., der seiner Sippschaft, gewiß vom Heiligen Geist inspiriert, Ländereien und höchste Würden verlieh, Provisionen – allein sechs bepfründete Papstverwandte sind nachgewiesen –, begünstigte reich Vetter Jakob, Vetter Johann und vergaß bedenkenlos Kirchenforderungen, um einen weiteren Nepoten mit einer Kaisertochter zu vereinen.
    Seinem Bruder Riccardo schanzte er im Grenzland der Sabina und Latiums neun Kastelle nebst Valmontone zu und errichtete ihm jenseits des Liris, nicht ohne strategische Absichten, ein wahres Nepotenparadies, ein fürstliches Erbe, natürlich auf Kosten Friedrichs II. Zuerst zwar noch Kirchenlehen, bekamen die Conti diese Güter bald ganz und besaßen sie 600 Jahre lang, bis zu ihrem Aussterben 1808. Und all dies und mehr durch Innozenz, den »Vater der Armen« (Kardinal Hergenröther).
    Mit den Mitteln seines päpstlichen Bruders baute Riccardo auch den gewaltigen, dann vom Volk erstürmten und zum städtischen Eigentum erklärten Turm in Rom (wo noch heute ein Rest der »Torre dei Conti« steht). Jahrelange Fehden folgten, Straßenschlachten, ein Verfassungskrieg, wobei über Nacht Türme und Gegentürme aus dem Boden schossen, Kirchen verschanzt, zu Festungen wurden, papale Haufen sich mit Demokraten schlugen. Innozenz floh 1203, kam im nächsten Jahr wieder, der Kampf ging weiter, schließlich siegte sein Geld, auch das der Conti, und die römische Kommune verlor eines ihrer großen Rechte nach dem andern: Papstwahl, Kaiserwahl, Wahl des Senats. 14
    Nicht alles freilich vermochte Gottes Stellvertreter an sich

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