Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
zu ziehen. Die Romagna, wo man einen seiner Neffen in Forli umbrachte, büßte er durch die hartnäckige Resistenz des Erzbischofs Wilhelm von Ravenna ein, dem Innozenz keinerlei rechtlichen Anspruch vormachen konnte. Auch in Toskana entgingen ihm die zwischen Kaisern und Päpsten so lange strittigen Mathildischen Güter (VI 269 ff.), hatten sie doch nun meist die größeren Stadtkommunen des Tuszischen Bundes eingeheimst, Florenz, Siena, Lucca, Volterra, Arezzo, und Päpste und Kirche sie für immer verloren.
Andererseits, um kurz vorauszublicken, erklärten sich unter dem Druck der Umstände sowohl der Welfe Otto IV. 1198 und 1201 durch die Urkunden von Neuß und von Speyer 1209, als auch der Staufer Friedrich durch die Goldbulle von Eger 1213 (S. 208) mit den päpstlichen »Rekuperationen« einverstanden. Damit aber hatte Innozenz III. bis zu seinem Tod den Umfang des Kirchenstaates um mehr als das Doppelte erweitert, hatte er ihn von Meer zu Meer, vom Tyrrhenischen bis zum Adriatischen Meer und in die Poebene ausgedehnt und Reichsitalien vom Königreich Sizilien vollständig getrennt, hatte er dem Staat des hl. Petrus eine Form gegeben, die fast bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts unverändert bestehenblieb – gestützt auf eine Riesenfälschung. 15
Innozenz III. greift auf Sizilien ein
Nach dem Tod des Kaisers richteten sich vieler Augen auf dessen Bruder Philipp von Schwaben, Friedrich Barbarossas jüngsten Sohn. Vom Vater zum Kleriker, von Heinrich VI. bereits 1190, höchstens vierzehnjährig, zum Bischof von Würzburg bestimmt, wird er jedoch drei Jahre später in den Laienstand zurück-und an den kaiserlichen Hof gerufen. 1194 an der Eroberung Siziliens beteiligt, wurde der frater imperatoris im folgenden Jahr mit dem Herzogtum Tuszien nebst den Mathildischen Gütern belehnt. Und da sein Bruder, Herzog Friedrich V. von Schwaben, schon 1191 vor Akkon einer Seuche erlegen, sein Bruder Konrad, Herzog von Rotenburg, während eines Feldzugs im August 1196 wegen einer Vergewaltigung ermordet worden war, erhielt Philipp jetzt auch das Herzogtum Schwaben.
Im September 1197 sollte er Heinrichs noch nicht einmal dreijährigen, doch schon von den Fürsten 1196 in Frankfurt zum römischen König gewählten Sohn Friedrich (II.) aus Foligno nahe Assisi zur Königskrönung nach Aachen holen. Kurz vor dem Ziel aber, bei Montefiascone, erreichte ihn und seine 300 schwäbischen Ritter die Nachricht vom Tod des Kaisers. Italien erhob sich augenblicklich. Auch von päpstlicher Seite geschürte Aufstände brachen aus. Zudem bannte Coelestin den Herzog jetzt öffentlich in St. Peter, angeblich wegen früherer Übergriffe auf den Kirchenstaat. Philipp entkam knapp, nicht ohne Verluste, und kehrte unverrichteterdinge zurück. 16
Den jungen Friedrich (II.) aber, der in Obhut der Herzogin von Spoleto und ihres Mannes Konrad von Urslingen lebte, eines der treuesten Kaiser-Vasallen in Italien, holte die Mutter bald an den Palermitaner Hof. Als Tochter Rogers II. hatte Konstanze ihre Jugend in Palermo verbracht, mochte die Deutschen nicht und fühlte sich weniger als Kaiserin denn als Normannin. Bewußt setzte sie die Traditionen ihrer Stammesvorgänger fort, der »reges felices«, der »Glücklichen Könige«, und ließ an Pfingsten 1198 ihren Sohn in Palermo zum König von Sizilien krönen, womit er den Titel »rex Romanorum«, den er seit Ende 1196 trug, »auf Druck von Innozenz III.« verlor (Lexikon für Theologie und Kirche).
Während das Prädikat aus den königlichen Urkunden verschwand, blieb natürlich die Umschrift auf Friedrichs frühem Siegel, die noch im 20. Jahrhundert auf jedem süditalienischen Kruxifix zu lesen gewesen sein soll: »Christ ist Sieger! Christ ist König! Christ ist Kaiser!« Papst und Kaiserin harmonierten nicht nur in ihrer Antipathie gegen alles Teutonische, sondern auch in der Absicht, Siziliens Besitz Friedrich sowohl zu sichern, als diesen auch darauf zu beschränken. Denn nichts war Innozenz fataler als eine neue Umklammerung seines Staates durch die Vereinigung von Imperium und Königreich.
Die Deutschen, überdies unbeliebt durch ihre Unmäßigkeit und Rechthaberei, vor allem aber verhaßt durch ihren harten Kurs, wurden von der Insel vertrieben, ja man sagte Konstanze, freilich zu Unrecht, nach, sie habe den Kaiser vergiftet, und unterstellte ihr eine Beteiligung an der Verschwörung wider ihn, was allerdings unbelegt ist. Doch war sie durch die Verjagung der Deutschen, nun ihre
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