Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
nicht. Es klingt wie ein Märchen (war es wohl auch): »Es geschah einmal in einer Nacht ...« Und »Eine weitere gräßliche Tat«, die er noch anhängt, bevor er, wie so oft, »Ein Wunder« draufsetzt, liegt immerhin fast ein halbes Jahrhundert zurück.
Da die Stadt sich weigerte, die »Ketzer« auszuliefern, wurde sie gestürmt und die Einwohnerschaft restlos hingemetzelt, wurde vom Kleinkind bis zum todkranken Greis alles von den »Rittern Christi« (Historia Albigensis) umgebracht, niemand geschont, auch nicht die Priester vor den Altären mit dem Kruzifix oder der Monstranz in der Hand.
Allein in der Kirche Maria Magdalena sollen, sinnigerweise an ihrem Festtag, am 22. Juli, siebentausend Menschen ermordet worden sein, jedenfalls nach dem offiziellen katholischen Bericht. »Oh, was für ein überaus gerechtes Maß der göttlichen Vorsehung!« kommentiert unser Mönch. Hatten die Bürger von Béziers, »diese überaus frechen Hunde«, ja just in jener Kirche ihren Herrn, den Vizegrafen Raimund Trencavel I., getötet und ihrem Bischof Bernard IV. die Zähne eingeschlagen. Doch waren für einen getöteten Grafen und ein paar Prälatenzähne 7000 ermordete Menschen nicht etwas viel? Nein. Für den christkatholischen Maßstab unseres Zisterziensers waren Grafenleiche und ein mehr oder minder gelichtetes Bischofsgebiß ein »großes Vergehen«, eine »verbrecherische Tat«. Die 7000 Opfer aber der anderen (und nicht nur der anderen!) Seite hatten »auf diese Weise ihre gerechte Strafe« erhalten.
Abrechnung auf katholisch.
Und insgesamt schlachteten die Rechtgläubigen sogar 20000 Menschen – nicht nur Häretiker, wie gesagt, auch Katholiken. Gab doch Legat Arnald, der selbst die Opfer seines Wirkens dem Papst auf fast zwanzigtausend beziffert, auf die Frage, wie man denn die »Ketzer« erkenne (laut Zisterzienserprior Caesarius von Heisterbach, etwa 1180 – nach 1240), den berühmten Befehl: »Tötet sie alle, Gott erkennt die Seinen schon!« Apokryph oder nicht, was verdeutlichte die Schande besser.
Arnald-Amalrich war Führer des Unternehmens. Und mit dem Schrei »Gott ist mit uns« plünderte, tötete man und steckte Béziers in Brand. »Die Glocken schmelzen in ihren Türmen, die Leichen brennen lichterloh und die Kathedrale berstet wie ein Vulkan. Rinnendes Blut, brennende Tote, lodernde Stadt, stürzende Mauern, singende Mönche, mordende Kreuzfahrer, plündernde Zigeuner ... So starb Béziers, so begann der Kreuzzug gegen den Gral ...« (Otto Rahn). Und der Legat des Papstes, drei Jahre später Erzbischof von Narbonne und, im selben Jahr, Teilnehmer an der Schlacht von Las Navas de Tolosa (S. 109 f.), »trug die Verantwortung für das ungeheuerliche Blutbad, das er auf alle Fälle hätte verhindern können«, er, »der Hauptverantwortliche für das grauenhafte Gemetzel von Béziers, für die Scheiterhaufen von Minerve und Lavaur« (Madaule). Ja, der »ehrwürdige Abt von Cîteaux« war es, bestätigt auch die »Historia Albigensis«, »der sich nach Gott selbst (!) am meisten für die Sache Jesu Christi einsetzte«. Doch beteiligt auch: der Erzbischof von Bordeaux, die Bischöfe von Limoges, von Basas, Cahors, Agen und Puy.
Der Hauptschuldige aber war der Papst. 29
Vicomte Raimund-Roger hatte sich inzwischen mit den zahlreichen Juden Béziers' nach Carcassonne zurückgezogen, wo es von Flüchtlingen, Weinbauern, Hirten wimmelte. Mit ihren Tieren, ihrem armseligen Hab und Gut suchten sie Schutz in der stark befestigten, einst von Römern, Gotenkönigen, Sultanen, Karolingern beherrschten fünfzigtürmigen Stadt mit der Burg des Vizegrafen und mehreren vorgelagerten burgi. An einem Morgen Anfang August stimmten alle Bischöfe, Äbte und die anderen Geistlichen »mit großer Hingabe das ›Veni Sancte Spiritus‹ (Komm, Heiliger Geist)« an, die Hymne des Albigenserkreuzzuges, das »Marsch- und Mordlied der Kreuzfahrer« (Kühner), stets das Signal zum Sturm, und erhofften beim frommen Tun natürlich »bald göttliche Hilfe«. Wirklich kam sie, und so machte man nach zweistündigem Kampf gegen »die schlimmsten Häretiker und die größten Sünder vor dem Herrn« (Historia Albigensis) die Vorstadt Graveillaude dem Erdboden gleich.
Der über die Pyrenäen geeilte Schwager Raimund-Rogers, König Peter II. von Aragón (Beiname: el católico), beim Vatikan in hoher Gunst stehend (S. 108), sucht bei dem Erzabt von Cîteaux die Stadt zu retten. Doch fällt sie durch schändlichen Verrat. Kein anderer als der
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