Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
der liebe Gott selbst wollte den Krieg. Und gerade als lieber Gott wollte er einen langen Krieg. Denn: »In seiner Güte wollte Gott es nicht zulassen, daß der allerheiligste Krieg völlig und in kurzer Zeit beendet würde.« Und warum soviel Gottesgüte? Gnade? Soviel Langmut? Wofür? Nun, klar, die »Verlängerung des Krieges« verlängerte, ganz logisch, auch »die Zeit der Sündenvergebung für die Sünder«. Und da die Legaten des Apostolischen Stuhls des lieben Gottes Absicht rasch erfaßten, gewährten sie den Ablaß ihres Herrn niemandem mehr, »der nicht mindestens 40 Tage ununterbrochen in dem Dienst Jesu Christi vollendet hatte«. 31
Ist das nicht eine tolle Religion!
Die meisten Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Priester, Mönche standen freilich noch bereit, die »Sache Christi« fortzusetzen, die Welt von einer teuflischen Pest zu säubern. Und Graf Simon hatte nicht nur durch seine Gattin Alix von Montmorency im Norden Nachschub anwerben lassen, sondern auch durch den päpstlichen Legaten, Erzabt Arnald von Cîteaux, weitere Truppen zugeführt bekommen, worauf man im Juli 1210, »um das Fest der heiligen Maria Magdalena«, unter dem Absingen des »Te Deum laudamus« in die gefürchtete Festung Minerve einziehen konnte, voraus das Kreuz, dahinter das Banner des Grafen von Montfort. Denn schließlich hatte »Christus den Ort gewonnen«.
Und jetzt forderte der Graf »als guter Katholik« die in einem Haus versammelten »Ketzer« eindringlich auf, sich zu bekehren. »Doch als alles nichts fruchtete, begann man damit, sie aus dem Ort zu schleifen. Die Zahl der ›Vollkommenen‹ der Häretiker betrug aber 400 oder noch mehr. Nachdem ein großer Scheiterhaufen errichtet worden war, wurden sie alle in das Feuer geworfen. Allerdings war es gar nicht nötig, daß die Unsrigen sie hineinwarfen, denn so verhärtet waren sie in ihrer Schlechtigkeit, daß sie sich selbst ins Feuer stürzten ... Nachdem die Häretiker verbrannt worden waren, schworen alle übrigen im Ort der Ketzerei ab und wurden wieder mit der Heiligen Kirche versöhnt« (Historia Albigensis).
Natürlich war man nicht immer so brutal. Ein Mitstreiter Simons schenkte sogar jedem Gefangenen das Leben, der sich durch hundert Soldi loskaufen konnte. Konnte er es freilich nicht, sprang er über die Klinge. »War er halbtot, so ließ er ihn in einen Abort werfen« (Grupp). Und die Mönche von Boulbonne, der Zisterzienserabtei und Nekropole der Grafen Foix, ließ man sogar samt und sonders leben (soweit sie die Prozedur überstanden). Man stach ihnen nur die Augen aus und schnitt ihnen Nasen und Ohren ab, »so daß von dem menschlichen Gesichte eigentlich nichts mehr übrig blieb« (Lea). Die frommen Täter konnten sich gleichwohl seelenruhig an ihren Opfern weiden, hatte man den »Pilgern« doch generell Straflosigkeit für dieses wie für jenes Leben zugesichert ... 32
Noch im selben Jahr 1210 sollte das als uneinnehmbar geltende, von einem reißenden Fluß umschlungene Termès dem Erdboden gleichgemacht werden; ein richtiges »Ketzer«-Nest, wo man »schon seit über 30 Jahren ..., wie wir von glaubwürdigen Personen gehört haben, in der Kirche der Burg Termes die heilige Messe nicht mehr gefeiert«.
Ein Kriegstechniker und Belagerungsexperte, der Erzabt Guilhem von Paris, »der vom Eifer für den christlichen Glauben entflammt, sich ganz dem Dienst Christi widmete«, bringt rings um Stadt und Burg modernstes Einbruchsgerät in Stellung, diverse Ballisten, Wurfgeschosse, Sturmböcke, und heizt, zwischen täglichen Predigten und Handwerkerinstruktionen, das »Gottesheer« an. Doch bekommt man den Ort erst im Herbst in die allein rechtgläubigen Hände, nach dreimonatiger Belagerung, als die Kriegsmaschinen des Pariser Prälaten »auf wunderbare Weise« endlich »so treffsicher warfen, als ob die Steine von Gott geführt würden«, als Hunger, Durst und zuletzt die Ruhr die Bewohner zu dezimieren begannen, so daß sie »durch die Gnade Gottes und die Hilfe des heiligen Clemens von Furcht und Verzweiflung ergriffen« zu fliehen suchten (Historia Albigensis).
»Was soll ich länger dabei verweilen? Viele entkamen, einige wurden gefangengenommen, eine noch größere Zahl wurde getötet«. Wie gesagt, alles durch die Gnade Gottes, die Hilfe des heiligen Clemens, an dessen Fest man die Burg erobert. Und nachdem die obligatorischen Scheiterhaufen verraucht sind, kehrt Simon von Montfort mit Raymond, dem gefangenen Herrn von Termès, einem alten Mann
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