Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
Legat selbst läßt den Vicomte, dem man »bei Gott dem Allmächtigen« freies Geleit geschworen, ins Kreuzfahrerlager bitten und dort samt den hundert ihn begleitenden Rittern sofort verhaften.
Als man in den Ort eindringt, ist er fast menschenleer, ist die Einwohnerschaft nachts durch einen unterirdischen Gang in Wälder und Schluchten, in das »Schwarze Gebirge« entflohen. Nur fünfhundert, die Flucht scheuende Greise, Frauen und Kinder blieben zurück. Etwa hundert schworen ihrem Glauben ab und gingen »nackt aus der Stadt hinaus und trugen nichts außer ihren Sünden mit sich fort«. Vierhundert Standhafte erhängt oder verbrennt man lebendigen Leibes.
Vicomte Raimund-Roger landet im tiefstem Verlies seiner Burg und stirbt dort schon am 10. November, angeblich an der Ruhr, nach zeitgenössischen Gerüchten aber durch Gift; sogar der Papst sprach in einem Brief von Mord. Die Länder Raimund-Rogers, die später sein Sohn als Erbe vergeblich zurückerobern will, die Vizegrafschaften der Trencavels, Albi, Nîmes, Agde, Béziers, Carcassonne und Razès, gehörten künftig zur Krondomäne. 30
Vorerst aber suchte Arnald für die bereits eroberten Städte Béziers und Carcassonne einen neuen Herrn. Und da seine Erwählten, der Graf von Nevers, der Herzog von Burgund – zwei Christen, beiläufig, einander so in »gegenseitiger Feindschaft« zugetan, »daß man täglich fürchtete, sie würden sich gegenseitig umbringen« –, nicht über geraubtes Gebiet herrschen wollten, erkor er schließlich, sagt der Chronist, »unter dem offensichtlichen Einfluß des heiligen Geistes«, Simon IV. von Montfort (1165–1218), der nun »über das Land zum Lobe Gottes, zur Ehre der Kirche und zur Unterdrückung der häretischen Verderbtheit« regierte. Doch später, als Erzbischof von Narbonne, verkracht sich Arnald mit seinem (und des Heiligen Geistes) Auserwählten, ja exkommuniziert Simon 1216, als der seine Bischofsstadt zu erobern sucht.
Simon von Montfort, das Stammhaus der Familie in der Ile-de-France besitzend und über seine Frau Alice von Montmorency König Philipp II. nahestehend, wurde schließlich zur dominierenden Figur des Albigenserkrieges. Er hatte 1199 das Kreuz genommen und sich seitdem als Verfechter päpstlicher Politik erwiesen. Dann folgte er dem Aufruf zum Kreuzzug 1209, bei dem er – der weder lesen noch schreiben konnte, bis heute aber der Kirche als »Bollwerk des Glaubens«, »Streiter Jesu Christi«, »Retter Roms« gilt – durch Ungerechtigkeit und Brutalität sich besonders hervortat, übrigens auch durch das Verfolgen sehr eigenmächtiger Pläne. Gleichwohl bekam er vom Vierten Laterankonzil alle eroberten Gebiete, das gesamte Languedoc, zuerkannt und wurde auch durch König Philipp als Graf von Toulouse bestätigt. Nach dem Verlust dieser Stadt fand er allerdings, beim monatelangen Versuch ihrer Rückeroberung, durch einen Stein, von Tolosaner Frauen aus einer Schleudermaschine geschossen, am 25. Juni 1218 den Tod.
Inzwischen hatte der Kreuzzug gegen Christen weiter seinen Verlauf genommen. Aber die Bereitwilligkeit war geringer, der Großteil der Adligen, Baron um Baron, allmählich gegangen. Sogar die beutegierigen Truands und Ribautz begnügten und verzogen sich. Doch auch der Herzog von Burgund ging. Ebenso der Graf von Nevers. Wiewohl »eindringlich« ersucht, »noch ein wenig länger im Dienste Jesu Christi zu bleiben«, dachte er gar nicht daran, »wollte die Bittenden überhaupt nicht anhören, sondern kehrte unverzüglich nach Hause zurück«. Und dies bereits nach der Kapitulation von Carcassonne, als »der edle Graf« von Montfort sich gerade anschickt, »um mit Gottes Hilfe weiter vorzurücken«, während mit dem Grafen von Nevers auch »der größte Teil des Heeres« vom Kriegsschauplatz verschwindet. Und nicht sehr viel später, bei der Belagerung von Termes, wirft »die edle Gräfin von Montfort« sich weiteren Kreuzzugsmüden völlig vergeblich zu Füßen, inständig flehend, doch »in dieser Bedrängnis der Sache des Herrn nicht den Rücken zu kehren«. Auch der Bischof von Beauvais sowie die Grafen von Dreux und Ponthieu ignorieren die Bitten aller und erklären, sie würden »am nächsten Tag abreisen und unter keinen Umständen auch nur einen einzigen Tag länger bleiben«. Ebenfalls geht der Bischof von Chartres. Steht ja selbst für unseren Kriegsreporter fest, daß »die meisten Kreuzfahrer nur lau in ihrem Eifer waren und sich ständig nach der Heimkehr sehnten«.
Doch
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