Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
Sattel sich direkt über dem mittleren Beinpaar befand, was zur Folge hatte, dass der Reiter im Trab unangenehm durchgeschüttelt wurde.
Borel konnte Shurgez hinter dem Nasenschutz seines Helmes kaum erkennen, und er nahm an, dass sein Gesicht dem Gegner ebenso verborgen blieb. Wortlos lenkten sie ihre Ayas zur Seite des Feldes, wo der Großmeister in seiner Loge saß. Vor der Loge hielten sie an und hörten gemeinsam Sir Juvain zu, wie er ihnen mit monotoner Stimme die Wettkampfregeln herunterleierte. Borel fand, dass es eine verdammt große Menge Worte waren, um auszudrücken, dass praktisch genommen alles erlaubt war.
Neben dem Großmeister saß Kubanan, dessen versteinertes Gesicht nur einmal kurz auflockerte, als er Borel verstohlen zublinzelte. Borel entdeckte auch Zerdai auf den Rängen. Als sich ihre Blicke trafen, winkte sie ihm wie närrisch zu.
Der Großmeister war jetzt mit seinem Sermon fertig und gab den beiden mit seinem Stab das Signal, dass der Kampf beginnen konnte. Die beiden Kontrahenten trabten zurück zu ihrem jeweiligen Zelt. Volhaj reichte Borel die Lanze und den Schild hinauf und sagte: »Haltet Eure Lanze genau waagerecht, und achtet genau auf seine …« Borel war viel zu aufgeregt, um hinzuhören.
»Achtung; es geht los!« rief Volhaj. Im selben Moment erscholl auch schon das Trompetensignal.
Borel, der vor Aufregung fast platzte, sagte: »Auf Wiedersehen, und vielen Dank.«
Die Hufe von Shurgez’ Aya trommelten schon über den Kampfplatz, als Borel sich schließlich ein Herz fasste und sein Reittier in Bewegung setzte. Lange Zeit schien es ihm, als reite er auf eine kleine Gestalt auf einem Aya zu, die nicht größer wurde. Doch ganz plötzlich explodierten Reiter und Aya vor seinen Augen zu Lebensgröße, und sein Gegner war über ihm.
Da Shurgez früher losgeritten war, trafen sie bereits vor der Mitte des Feldes aufeinander. Als sein Gegner auf ihn zuhielt, richtete Borel sich in den Steigbügeln auf und schleuderte seine Lanze. Sofort danach duckte er sich und zog an den Zügeln, die mit den Schnurrbartenden des Aya verflochten waren, um ihn nach rechts zu lenken.
Shurgez duckte sich, als die Lanze auf ihn zugeflogen kam, was zur Folge hatte, dass er seine eigene Lanze verriss und Borel um gut einen Meter verfehlte. Borel hörte, wie seine Lanze mit metallischem Klirren von Shurgez’ Panzer abprallte. Dann war er auch schon vorbei und hielt auf Shurgez’ Zelt am anderen Ende des Feldes zu. Er beugte sich vor und gab seinem Aya gnadenlos die Sporen.
Kurz bevor er das Ende des Feldes erreichte, drehte er sich um. Shurgez war gerade dabei, seinen Aya herumzureißen. Borel schaute wieder nach vorn und konzentrierte sich auf eine Lücke direkt neben Shurgez’ Zelt. Die Leute, die um das Zelt herumstanden, starrten ihn entsetzt an, als er auf sie zugesprengt kam, und hechteten erst in letzter Sekunde zur Seite, als der Aya in vollem Galopp hindurchdonnerte. Borel hörte entsetzte Schreie hinter sich.
Er lenkte sein Tier hinüber auf die Hauptstraße nach Novorecife, befestigte die Zügel am Sattelhorn und begann sich von allem überschüssigen Ballast zu befreien. Als erstes flog der schmucke damaszierte Helm fort und landete klirrend auf der Straße. Schwert und Streitaxt gesellten sich ihm wenig später zu. Mit einigem Gefummel entledigte er sich der Armpanzer und der Stulpenhandschuhe, deren Schicksal kurz darauf der Brustpanzer und das Kettenhemd teilten. Der eiserne Schurz und der Kettenrock würden auf eine bessere Gelegenheit warten müssen.
Der Aya lief in lockerem Trab weiter, bis schließlich Mishe hinter ihm am Horizont verschwand. Als seine Atemzüge eine bedrohliche Frequenz erreichten, ließ Borel ihn eine Zeitlang im Schritt weiterlaufen, bis er sich wieder erholt hatte. Als er sich jedoch nach einer Weile im Sattel umdrehte, sah er schon die Verfolger in Gestalt kleiner dunkler Punkte hinter sich. Sofort spornte er den Aya wieder zum Galopp an. Als die Punkte verschwunden waren, verfiel er wieder in einen leichten Trab. Galopp – Trab – Galopp – Trab – auf diese Weise legte man lange Strecken auf einem Pferd zurück; warum also sollte das nicht auch auf seinem sechsbeinigen krishnanischen Vetter funktionieren? Während er ritt, schwor er sich, seine Aktivitäten in Zukunft auf die Erde zu beschränken, wo sich wenigstens die Gefahren und Schwierigkeiten besser ausrechnen ließen.
Missmutig schaute er auf den Goldbeutel, der leise klirrend gegen den
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