Kristin Lavranstochter 1
heute, da sie mit ihrem Vater so weit fort sollte, schien es dem Kind, als sei der bekannte Anblick ihres Heimes und des Tales ganz neu und merkwürdig.
Die verschiedenen Häusergruppen auf Jörundhof ' waren gleichsam kleiner und grauer geworden, wie sie so dort unten
lagen. Der Fluß wand sich glanzend dahin, und das Tal breitete sich vor ihr aus mit seinen weiten grünen Flächen und den Mooren auf der Sohle und den Höfen mit ihren Äckern und Wiesen an den Hängen, bis unter die grauen und schroffen Bergwände hinauf.
Weit unten im Tale, wo die Berge zusammenstießen und den Ausblick versperrten, wußte Kristin den Loptshof liegen. Dort wohnten Sigurd und Jon. zwei alte Männer mit weißen Bärten; die mußten immer mit ihr spielen und scherzen, wenn sie auf den Jörundhof kamen. Den Jon hatte sie sehr gern, denn er schnitzte ihr die schönsten Tiere aus Holz, und sie hatte einmal einen goldenen Ring von ihm bekommen. Und als er das letztemal bei ihnen gewesen war, am Weißen Sonntag, da hatte er ihr einen Ritter mitgebracht, der so schön geschnitzt und so herrlich bemalt war, daß es Kristin dünkte, sie habe nie eine schönere Gabe erhalten. Sie mußte ihn jede Nacht mit ins Bett nehmen, aber am Morgen, wenn sie erwachte, stand der Ritter immer auf der Stufe vor dem Bett, in dem sie mit den Eltern schlief. Der Vater sagte, er springe beim ersten Hahnenschrei heraus, aber Kristin wußte wohl, daß die Mutter ihn wegnahm, wenn sie eingeschlafen war, denn sie hatte sie sagen hören, er sei so hart und schmerze sie, wenn sie nachts darauf zu liegen komme. -Vor Sigurd vom Loptshof fürchtete Kristin sich, und sie mochte es nicht, daß er sie auf die Knie nahm, denn er pflegte zu sagen, wenn sie einmal mannbar sei, wolle er in ihren Armen schlafen. Er hatte zwei Frauen überlebt und sagte selbst, er werde schon auch noch eine dritte überleben, und Kristin könne die vierte werden. Wenn sie dann aber weinte, lachte Lavrans und sagte, er glaube nicht, daß Margit ihren Geist so schnell aufgeben werde, sollte es aber doch so schlimm kommen und Sigurd um sie freien, dann würde er ein Nein erhalten, dessen könne sie gewiß sein.
Ungefähr einen Bogenschuß nördlich der Kirche lag am Wege ein großer Steinblock, und rings um ihn war ein dichter Hain von Birken und Espen. Dort pflegten sie Kirche zu spielen, und Tomas, der jüngste Tochtersohn des Priesters Eirik, stand dann dort und hielt die Messe wie sein Großvater, sprengte Weihwasser und taufte, wenn in den Steinmulden Regenwasser stand. Aber im vergangenen Herbst war es ihnen einmal übel ergangen. Zuerst hatte Tomas sie und Arne getraut -Arne war noch nicht so alt, daß er nicht noch mit den Kindern
spielte, wenn er die Zeit dazu hatte. Dann fing Arne ein Ferkel, das dort herumlief, und sie trugen es zur Taufe. Tomas salbte es mit Schlamm, tauchte es in eine Vertiefung des Steines, in der Wasser stand, ahmte seinen Großvater nach, las die Messe auf lateinisch und schalt, weil sie nicht genug opferten - da lachten die Kinder, denn sie hatten die Erwachsenen über Eiriks unmäßige Geldgier reden hören. Und je mehr sie lachten, desto ärgere Sachen erfand Tomas; so sagte er, dieses Kind sei in der Zeit der Langen Fasten gezeugt worden, und sie müßten dem Priester und der Kirche um ihrer Sünde willen Buße erstatten. Da lachten die großen Knaben, daß sie schrien, aber Kristin war so beschämt, daß sie dem Weinen nahe war, wie sie so mit dem Ferkel in den Armen dastand. Und als die Kinder sich noch damit belustigten, wollte es das Unglück, daß Eirik selbst von einem Seelsorgergang heimgeritten kam. Als er begriff, was die Kinder trieben, sprang er vom Pferde und reichte Bentein, dem ältesten Tochtersohn, der ihn begleitete, die heiligen Gefäße so heftig hin, daß Bentein beinahe die silberne Taube mit dem Leib Gottes zur Erde hätte fallen lassen; der Priester fuhr in die Kinderschar und prügelte so viele, wie er nur zu fassen bekam. Kristin verlor das Ferkel, und dieses rannte schreiend den Weg hinunter, das Tauftuch hinter sich herziehend, so daß die Pferde des Priesters sich vor Schrecken aufbäumten. Sira Eirik schlug auch sie, daß sie hinfiel, und er stieß mit dem Fuß nach ihr, wovon ihr noch viele Tage danach die Hüfte weh tat. Als Lavrans dies erfahren hatte, meinte er, Eirik sei doch zu streng gegen Kristin gewesen, da sie noch so klein sei. Er sagte, er wolle mit dem Priester darüber reden, aber Ragnfrid bat ihn, das nicht zu tun,
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