Kristin Lavranstochter 1
um: die anderen hatten nichts bemerkt. Den Becher stieß er mit dem Fuß unter die Bank - blieb einen Augenblick stehen, dann ging er still hinaus, dem Schwager nach.
Simon Darre stand unterhalb der Treppe - Jon Daalk war im Begriff, Simons Pferd aus dem Stall herauszuführen. Er rührte sich nicht, als Erlend zu ihm trat.
„Simon! Simon - ich wußte nicht - ich wußte nicht, was ich sagte!“
„Jetzt weißt du es.“
Simons Stimme war völlig tonlos. Er stand unbeweglich, sah den andern nicht an.
Erlend blickte ratlos um sich. Hinter dem Wolkenschleier erkannte man einen bleichen Schimmer des Mondes, kleine harte Schneekörner rieselten herab.
Erlend schauerte zusammen.
„Wohin - wohin willst du?“ fragte er ungewiß, er sah den Knecht und die Pferde an.
„Mir eine andere Herberge suchen“, erwiderte Simon kurz. „Du kannst dir wohl denken, daß ich hier nicht bleiben mag ...“
„Simon!“ brach Erlend aus. „Oh, ich weiß nicht, was ich dafür geben würde, könnte es wieder ungesagt sein!“
„Das weiß auch ich nicht“, antwortete der andere so tonlos wie vorher.
Im Oberstock ging die Tür auf. Kristin trat mit einem Licht in der Hand auf den Altan - beugte sich über das Geländer und leuchtete hinunter.
„Steht ihr hier?“ fragte sie mit heller Stimme. „Was treibt ihr denn jetzt draußen?“
„Ich fühlte, daß ich nach meinen Pferden sehen mußte - wie höfische Leute zu sagen pflegen“, gab Simon lachend zur Antwort.
„Ja, aber - du hast ja deine Pferde herausgeführt!“ meinte sie heiter staunend.
„Ja - auf was kann ein Mann nicht verfallen, wenn ihm wirr im Kopf ist“, sagte Simon wie zuvor.
„Aber kommt jetzt herauf!“ rief sie, hell und froh.
„Ja. Sogleich.“ Sie trat zurück, und Simon rief Jon zu, er solle die Pferde wieder hineinführen. Dann wandte er sich zu Erlend - dieser stand da, seltsam lahm in Miene und Haltung. „Ich komme bald wieder hinein. Wir müssen - versuchen zu tun, als sei dies ungesprochen, Erlend - um unserer Frauen willen. Aber soviel begreifst vielleicht auch du - du warst der letzte auf Erden, von dem ich wollte, daß er - dieses -wisse. Und vergiß nicht, daß ich nicht so vergeßlich bin wie du!“
Wiederum wurde oben die Tür geöffnet; die Gäste kamen alle miteinander heraus, mit ihnen Kristin, ihre Magd trug ein Licht.
„Ja“, grinste Munan Baardssohn, „die Nacht ist schon vorgerückt - und diese beiden Leute hier, denke ich, sehnen sich schon sehr nach dem Bett...“
„Erlend. Erlend. Erlend.“ Kaum standen die beiden allein hinter der Stubentür, als sich Kristin ihm an die Brust warf. Sie schmiegte sich fest und dicht an ihn. „Erlend - du siehst bekümmert aus“, flüsterte sie erschrocken, die halboffenen Lippen nahe an seinem Mund. „Erlend?“ Sie umfaßte seine Schläfen mit ihren beiden Händen.
Er stand eine Weile da, die Arme lose um sie gelegt. Dann, mit einem halberstickten Laut in der Kehle, preßte er sie an sich...
Simon ging zum Stall hinüber - er wollte Jon etwas sagen, vergaß es jedoch unterwegs. Eine Weile stand er in der Stalltür und sah zu dem Mondnebel und dem Schneetreiben auf -jetzt begannen große Flocken zu fallen. Jon und Ulv kamen heraus und schlossen die Tür hinter sich, und die drei Männer gingen zusammen auf das Haus zu, in dem sie schlafen sollten.
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