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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Uhr los.«
    »Das nehme ich gern an. Aber wird das dem Gronski recht sein?«
    »Ich werde ihn fragen.«
    »Schön, das kommt mir gut aus. Aber du bist doch sicher nicht gekommen, um mir den Wagen anzubieten?«
    »Nein, ich wollte Kristinas Flöte holen.«
    »Die Flöte? Ich denke, Kristina ist bei Basia?«
    »Ja. Das stimmt. Aber es hat sich herausgestellt, dass sie morgen für jemand im Orchester einspringen soll.«
    »Und da holst du bereits heute ihre Flöte?«
    »Heute Abend wollen sie im Jugendclub üben.«
    »Und was ist morgen?«
    »Morgen am Spätnachmittag fahren wir raus zum See. Der Jugendclub hat Gäste aus der Stadt. Es soll Musik gemacht werden.«
    »Ein Konzert?«
    »Wenn du es so nennen willst.«
    »Du weißt, wo die Flöte liegt. Pass auf, dass . . .«
    »Ja, Großmutter, ich weiß. Sie ist empfindlich. Deshalb hast du über den Kasten ja noch die Stoffhülle gestreift.«
    Sie schaute ihn verständnislos an. »Na und?«
    »Das ist so wie Hosenträger und Gürtel«, sagte er. »Doppelte Sicherheit.«
    Sie lachte.
    Er stand auf, griff nach der Flöte und gab ihr die Hand. Er war schon an der Tür, als sie ihm nachrief: »Wart, wart!«
    Er sah sich um. Sie lief zu dem schmalen Schrank, klappte die Sekretärplatte herunter und holte aus einem der vielen Schubfächer einen Riegel Schokolade. Ihn rührte das immer wieder. Nie ließ sie ihn ziehen, ohne ihm eine Kleinigkeit zuzustecken. Aber er verbarg seine Empfindungen hinter der Bemerkung: »Zigaretten hast du wohl keine, Großmutter, wie?«
    Sie merkte, dass er sie necken wollte. »Bist du schon ein Mann?«, fragte sie.
    »Na ja«, sagte er, »gestern habe ich mich zum ersten Mal rasiert.«
    Wolf drängte sich an seine Knie. Janec fasste seinen Kopf, ließ die Schnurrbarthaare durch seine Finger gleiten und meinte: »So lang wie dein Bart, Hundevieh, ist meiner allerdings noch längst nicht.«
    Er schlug die Tür ins Schloss. Das schmalgieblige Haus in der Altstadt hatten sie bis 1966 allein bewohnt, wenn man von der Aleksandrowicz in der Kellerwohnung absah. Dann war Vater verschwunden. Einfach weggegangen. Sie verloren die Wohnung bis auf zwei Zimmer. Monate voller Reibereien folgten. Sie fielen sich in dem engen Raum gegenseitig auf die Nerven. Endlich verschaffte Mutters Chef ihr eine kleine Wohnung im Neubaugebiet. Kristina blieb bei Großmutter, Janec zog mit seiner Mutter.
    Der Jugendclub, bald nach dem Kriege gebaut, lag an der Grenze zwischen Altstadt und Siedlung. Janec lief mit schnellen Schritten dorthin zurück. Mit einem »Endlich« wurde er empfangen. Witold schlug bereits ein paar rasselnde Wirbel und Andrzej hatte die Gitarre gestimmt. Die ersten Takte klangen nicht schlecht. Aber Mundharmonika und Flöte hätten etliche Phon mehr hergeben können.
    »Einen Namen braucht die Band«, rief Basia. Übermütig machten sie Vorschläge. Józef wollte sie »New Revolution« nennen, Ludmilla war aus unerfindlichen Gründen für »Tränen im Knopfloch«. Aber schließlich setzte sich Janecs Vorschlag durch, der den Namen »Mamas Classic Group« erfand.
    Gegen neun drängte Kristina zum Aufbruch. »Wenn ich an die Mathearbeit denke, wird mir übel.«
    »Auf Basia vertrauen heißt keine Arbeit verbauen.«
    Ob solche Notwehr erlaubt ist?, fragte sich Kristina, als sie nach Hause ging. Der Pfarrer hatte ihr bei der letzten Beichte auch keine rechte Auskunft gegeben. »Wenn der Lehrer wirklich so unfähig ist . . .«, hatte er geflüstert, ihr aber doch drei Ave als Buße auferlegt. Zur Sicherheit, sozusagen.

Der nächste Morgen begann für Kristina wie üblich. Großmutter hatte Milch gewärmt. Kaffee ist nicht gesund. Sie hatte ihr einen Apfel zerschnitten und das Kerngehäuse entfernt. Obst ist sehr gesund, besonders mit Schale. Sie hatte ihr zwei Scheiben Brot dick mit Margarine und Honig bestrichen. Honig ist auch gesund.
    »Bist du gut vorbereitet auf die Mathearbeit?«
    »Na ja.«
    Kristina machte sich während der Mathestunden stets Notizen. Aber der Teufel sollte den Kupinski holen. Vielleicht versteht er was von Mathematik. Wahrscheinlich sogar. Denn für ihn ist alles glasklar, völlig einsichtig, ohne Probleme, selbstverständlich. Aber nur für ihn. Er hatte wohl noch nie einen Gedanken darauf verwendet, wie er Mathematik einleuchtend machen könnte. Er redete die ganze Stunde lang. Kristina und fast alle aus der Klasse verstanden nichts. Ausgenommen Basia und vielleicht noch Krisek.
    Klara bekam Nachhilfestunden bei einem

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