Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Feen erschienen auch allesamt und brachten dem Kind ihre Gaben dar: Die eine schenkte ihm den Adel, die andere schöpferische Kraft, die dritte seine Schönheit. Die böse Fee aber, die nicht hinzugebeten worden war, kam zum Schluss, und da sie das, was die Schwestern für ihren Liebling getan hatten, nicht mehr ungeschehen machen konnte, mischte sie unter jede segensreiche Gabe einen Fluch. Byron entstammte einer vornehmen alten Familie, die aber durch Dummheit und allerlei Verfehlungen jeglichen gesellschaftlichen Glanz eingebüßt hatte … er verfügte über großes Talent, doch war sein Geist angekränkelt … seinen Kopf haben Bildhauer mit Vorliebe in Marmor gemeißelt, aber eines seiner Beine war missgestaltet wie das eines bettelnden Krüppels an der Straßenecke …
Doch die Ursache für die Krankheit des Jahrhunderts trägt Byron im Herzen. Er lebt stets im Zenit des Daseins. Sein Leben läuft ab wie ein Monumentalfilm, man feiert und verfolgt ihn. Liebesabenteuer und Skandale begleiten jeden seiner Schritte, er ist Mann von Welt und bewunderter Freiheitsheld in einer Person. Frauen fallen in Ohnmacht, wenn er unerwartet irgendwo erscheint, ein junges Mädchen verliebt sich zehn Jahre nach seinem Tod so leidenschaftlich in ihn, dass sie seinetwegen Selbstmord begeht.
Er bekam alles, was das Leben zu bieten hatte, Glanz, Reichtum, Dichterruhm, wie er keinem außer ihm zuteilgeworden ist, dazu auch noch den Ruhm als Galan, völlig selbstlos umgaben ihn Freunde, Frauen, und es war ihm vergönnt, sein Vermögen, sein Leben in den Dienst einer großen Idee zu stellen – dennoch, er war nicht glücklich.
Bewusst und aus Überzeugung unerfüllt. Als er in Rom den weltberühmten Bildhauer Thorvaldsen aufsuchte, um eine Skulptur von sich anfertigen zu lassen, stellte dieser überrascht fest, dass sich Byron auf seinem Stuhl in einer ganz eigenartigen, dramatischen Pose vor ihm präsentierte, und er bat ihn, doch bitte so zu sein wie immer. »Aber ich bin immer so!«, empörte sich Byron. Und als das Werk fertig war, gefiel es Byron nicht. »Es trifft mich nicht«, sagte er, »ich bin sehr viel unglücklicher.«
Und wie viele sind ihm in diese gewollte und sorgsam gepflegte Schwermut gefolgt! Männer erschienen mit düsterem Gesichtsausdruck in der Gesellschaft und verheimlichten auffallend ihr verborgenes Leid. Die Frauen verzehrten essigsaure Salate oder schluckten Kreide, um sich die gewünschte Blässe zu geben, oder stellten das Essen gänzlich ein. Byron selbst neigte zur Korpulenz, war aber als Engländer und Weltmann sehr auf seine Linie bedacht. Von Zeit zu Zeit unterzog er sich einer strengen Diät und nahm kaum etwas anderes als Zwieback und Mineralwasser zu sich; allerdings entschädigte er sich, wenn er die Kasteiung satt hatte, mit maßlosem Essen und Trinken. Seine massiven und planlosen Abmagerungsexzesse strapazierten seine Nerven über die Maßen, steigerten seine Reizbarkeit und bildeten zugleich die körperliche Grundlage für seinen Weltschmerz. Schließlich hielt er sättigende Genüsse überhaupt für seiner unwürdig und verachtenswert; eine Marchesa desillusionierte ihn, weil sie sichtlich mit Genuss ein Kalbskotelett verzehrte; von seiner »großen Liebe«, der Gräfin Teresa Guiccioli, hieß es, sie habe überhaupt nicht gegessen. So kam unter Byrons Einfluss in vornehmen Kreisen das Essen ganz aus der Mode; man verzichtete nicht darauf, weil man die Korpulenz fürchtete, wie unsere Damen von heute, sondern weil guter Appetit nicht zum Weltschmerz passte.
Unser Jahrhundert ist in jeder Beziehung weniger glücklich als das sich friedlich entwickelnde, wohlsituierte, sanfte und bürgerlich selbstgewisse, rechtschaffene 19. Jahrhundert. Aber in der einen Hinsicht war es doch begünstigt, es hat nämlich die »Krankheit des Jahrhunderts« überwunden. Nach den blassen, angekränkelten Träumern und von Ohnmachtsanfällen geplagten Fräulein mit hängenden Schultern kamen in unserer Zeit sportliche, sonnengebräunte Männer und Frauen in Mode. Trübsal und Bitterkeit bedeuten heute nichts Positives mehr, ganz im Gegenteil, gute Laune und
keep smiling
sind obligatorisch, und auch wer Kummer hat, ist redlich bestrebt, ihn vor seinen Mitmenschen zu verbergen, damit sich seine Situation nicht noch durch geringschätziges Bedauertwerden verschlimmert.
Eigenartig, aber es ist so: Das Glück, dass wir die »Krankheit des Jahrhunderts« hinter uns haben, verdanken wir dem Umstand, in einer so
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