Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
Vom Netzwerk:
machen lassen und mitgebracht. Hier!«
    »Da bin ich wirklich baff. Ihr Laden ist effektiv!«
    Auf dem Ausweis, der zum Anheften war, stand:
    »Dr.   Emil Bär. Notfallseelsorge.«
    Er langte noch mal in den Rucksack.
    »Und hier ist noch einer: ›Dr.   Emil Bär. Consultant Bistum Augsburg‹.«
    »Ham S’ vielleicht noch einen dritten?«
    »Ja. Hier … ›Dr.   Emil Bär. Pro Familia‹. … Den brauchen S’ wahrscheinlich nicht. Er ist für die Frauen. Wenn Sie von denen was wissen wollen. Nur für den Fall. Und Sie werden mit Frauen zu tun haben. Mit etlichen. So wie ich den Theo kenn. Gott hab ihn selig.«
    »Pro Familia … Das ist doch der ADAC für Sex.«
    »Wieso?«
    »Die machen ›Pannenhilfe nach sechs‹. Hab ich gelesen.«
    »Vielleicht können S’ dann die Pro Familia auch privat gebrauchen. Sogar in Kempten gibt’s eine Filiale. Und in Augsburg …«
    Er grinste schon wieder so süffisant.
    Ich nahm noch mal seine Schnapsflasche.
    »Broschd. Eins zu null für Sie.«
    Ich zog den Tanqueray wie ein Ochse in mich hinein. Er schmeckte mit jedem Schluck besser. Zart und kräftig.
    »Guter Zug«, sagte er.
    Ich sagte:
    »Wer zuletzt lacht, lacht am besten!«
    Ich wusste nicht, warum ich zuletzt und am besten lachen würde, keine Idee, aber ich wollte auch etwas Kryptisches von mir geben. Eines wusste ich jedenfalls sicher, und ich dachte es bei mir: Ich werde es dir heimzahlen, du gemeine Sau, du hermeneutische!
    »Also«, sagte er, »dann können wir ja anfangen.«
    »Anfangen mit was?«
    »Ich geb Ihnen ein Briefing über den Theo.«
    Meine Neugierde war größer als meine Wut, und zwanzigtausend Euro hatten eine sedierende Wirkung auf mich. Außerdem wollte ich mein schlampiges Verhältnis nicht auffliegen lassen. Er hatte mich in der Hand. Er hatte recht: Ich wollte um keinen Preis meine Geliebte und ihre Kinder in ein Schlamassel bringen. Der Mann war mir wurscht. Der Polizeipräsident.
    »Briefing … Ich glaub, ich bin in Amerika. Also, ich horch … lassen S’ endlich die Sau raus!«
    »Schauen S’, das mein ich mit der Sprache, warum wir Ihr Buch nicht empfehlen können.«
    »In Nordelbien geht es weg wie warme Semmel!«, sagte ich.
    Er sagte: »Im Kongo wahrscheinlich auch.«
    Ich sagte: »Lieber Neger als katholisch.«
    Er sagte: »Hauptsache, wir verstehen uns. Also der Theo …«

Der Kopf vom Ratzinger
    Ich holte noch mal zwei Flaschen Augustiner Edelstoff.
    Hätte ich nicht gedacht, was das für ein Frühschoppen wird!
    Ich nahm den Faden wieder auf:
    »Wie kommen S’ denn drauf, dass da was nicht stimmt mit dem Tod vom Theo?«
    »Mein gut feeling .«
    »Ihr was?«
    »Na gehen S’ zu, Sie wissen doch, was ein gut feeling ist. Come on, mate! Das Bauchgefühl. Der siebte Sinn. Sie waren jahrelang in Australien. Sie haben Ihre Psychologie-Diplomarbeit auf Englisch geschrieben. Sie haben später den Psychoanalytiker Bion auf Englisch gelesen und seitenweise zitiert.«
    »Haben Sie das auch ausgeschnüffelt?«
    »Da brauch ich nicht zu schnüffeln. Googeln langt. Ein Wunderwerk, diese Suchmaschine!«
    Recht hatte er. Ich habe immer ein Mordstheater gemacht mit meinen neuen Patienten in der Analyse. Dass sie nix von mir wissen. Neutralität. Abstinenz. Bis sie dann so gelächelt haben. So wissend. Und mir verraten haben, dass alle meine Geheimnisse im Internet zu finden sind. Auf den Klappentexten meiner Bücher. Und in den Büchern noch viel mehr. So viel zu der Idee, dass ich, der Analytiker, ein blanker »Spiegel« bin, ein unbeschriebenes Blatt, eine weiße Leinwand, auf den die Analysanden ihre Projektionen und Phantasien werfen können.
    »Ah. So. Als Nächstes sagen Sie mir, dass Sie mich auch schon gewickelt haben, wie ich klein war … Also gut, ihr Darmgefühl sagt Ihnen, dass da was stinkt mit dem Theo, der sich aufgehängt hat. Auf ihr gut feeling ist g’schissen. Mein gut feeling sagt mir, dass er sich aufgehängt hat.«
    »Er war nicht der Typ dafür.«
    »Wieso nicht – wie ist der Typ, der sich aufhängt?«
    »Sie sind Analytiker, nicht ich. Depressiv, tät ich sagen. Der Theo war nicht depressiv. Im Gegenteil. Aber ich hab hier was, das beweist, dass mein gut feeling nicht an den Haaren herbeigezogen ist.«
    Er holte einen Zettel aus seinem Rucksack.
    »Da schauen S’. Sein Abschiedsbrief.«
    »Oh. Einen Abschiedsbrief hat er hinterlassen?«
    »Ja, in der Sakristei.«
    »Und wo haben Sie den her? Von der Polizei? Die hätten doch die Leiche mitgenommen und

Weitere Kostenlose Bücher