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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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steck Sie in Ihre verdammte Visage, Sie Erpresser, Sie katholischer. Sie Lump. Nix mach ich! Stecken Sie sich Ihren Auftrag sonst wohin …!«
    Er wurde noch cooler. Noch süffisanter.
    »Nach der Geburt ihres ersten Kindes hatte die junge Mutter eine schwere Depression. Aber sie fand einen guten Therapeuten … Ach, jetzt fällt’s mir wieder ein, der hieß auch Bär … so ein Zufall! Das werden doch nicht Sie gewesen sein …?«
    Noch mehr Schweißperlen auf meiner Stirn.
    Ich sagte:
    »Schmarrn. Wahrscheinlich mein Bruder.«
    »Wusste gar nicht, dass Sie einen Bruder haben.«
    Hatte ich auch nicht, sagte:
    »Stiefbruder.«
    »Ah so … da hätt ich gründlicher googeln sollen … aber ich wär auch gar nicht auf den Gedanken gekommen … bei Ihrem ausgezeichneten Ruf als Psychoanalytiker. Dazu Mitglied der Ethikkommission in der Bundesvereinigung der deutschen Psychoanalytiker.«
    Ich zitterte vor Wut. Am ganzen Leib.
    Ein Psychoanalytiker, der sich mit einer Ex-Patientin einlässt, kann zwar gerichtlich nicht belangt werden, aber in seinen Kreisen ist er unten durch. Er kann seinen Laden dicht machen. Mit Ex-Patientin einlassen ist Todsünde. Psychoanalytisch. Passiert öfter. Todsünden passieren ja auch öfter.
    Kalt lächelnd heizte mir dieser Rössle ein. Mit Andeutungen. Anspielungen. Innuendos.
    Ich kochte. Schrie ihn an.
    »Ich bin nicht erpressbar! Ich bin im Ruhestand und muss kein Disziplinarverfahren fürchten und keine Vorgesetzten, ich bin ein freier Mensch!«
    »Es geht doch nicht um Sie, oder Ihren guten Ruf … Es geht um das Glück einer Familie. Die Familie Ihrer Geliebten. Nicht auszudenken, wenn ihr Mann erführe … Sie wollen doch dieses Familienglück nicht zerstören. Der Familie zuliebe werden Sie den Auftrag annehmen. Zu meinen Bedingungen.«
    Ich dachte: Die Drecksau.
    Ich sagte: »Du Drecksau!«
    Wir schwiegen eine Minute. Ich trank mein Bier leer.
    Er fischte aus seinem Rucksack eine Flasche Schnaps.
    »Feines Tröpfle«, sagte er. »Schluck?«
    »Sauf dein Tröpfle selber, du Hurenbock, du krimineller, du katholischer!«
    Er hielt mir die Flasche hin.
    Ich sah das Etikett auf der länglichen grünen Flasche. Wurde schwach. Tanqueray Gin No. 10. Ohhhh …
    Ich ergriff die Flasche und nahm einen tiefen Zug. Der Tanqueray schlug in meinem Magen ein wie eine Bombe. Er tat gut. Ich schnappte nach Luft.
    Ich hatte vergessen zu atmen.
    »Aber warum zahlt ihr mir zwanzigtausend Euro, wenn ihr mich erpressen könnt?!«
    »Erpressung ist ein böses Wort. Es geht um Motivation. Wer erpresst wird, arbeitet nicht gut. Wir brauchen gute Arbeit von Ihnen. Sagen wir so, nehmen wir es einfach als eine Frage der Hermeneutik. Wir schützen Ihre Johannes-drei-Beziehung, und wir schützen eine Familie. Und wir schätzen Ihre Arbeit. Zwanzigtausend Euro. Jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert. Positive Motivation. Und Sie dienen der Wahrheit. Ich will, dass Sie die Wahrheit rausfinden. Mehr nicht. Sie sind doch ein Liebhaber – ah – auch der Wahrheit. Sie haben über Bion promoviert. Wilfred Bion. Der englische Psychoanalytiker, der Mystiker der Psychoanalyse. Der Apostel der Wahrheit. Der Erfinder des ›O‹. O, die Wahrheit, der Sinn, das Wesen hinter den Dingen. Ich will das O dieser Geschichte von Theo Amadagio wissen. Das historische O und das existenzielle O.«
    O mei, o mei, dachte ich. Er kam wirklich nicht auf der Brennsupp’n dahergeschwommen, dieser Rössle.
    Ich sagte:
    »Das O ist unerkennbar. Das Ding an sich.«
    »Aber die Manifestationen von O sind erkennbar. Die Inkarnationen. Was passiert ist. Am Sonntag. Vorher. Nachher. Warum. Das will ich von Ihnen wissen!«
    Ich schnaubte wie ein wütendes Pferd. Ich war sooo wütend und sagte:
    »Ich hab so eine Wut im Bauch!«
    »Aber Sie sind auch neugierig. Triebhaft neugierig. Sie haben den Job doch schon angefangen. Schon am Sonntagfrüh. Da haben Sie sich als Notfallseelsorger erfunden. Sie waren also der Erste, der wusste, dass der Theo erhängt gefunden wurde. Die anderen dachten, es war das Herz. Plötzlicher Herzstillstand. Oder Schlag. Hirnschlag.«
    »Woher wissen Sie das? Das mit der Notfallseelsorge?«
    »Ich habe mit jemandem von der Notfall-Crew gesprochen und war hoch erstaunt, als ich hörte, dass wir in Kempten eine Notfallseelsorge hätten. Gute Idee übrigens. Werden wir einrichten. Oder eingerichtet lassen. Sie werden offiziell zum Notfallseelsorger für die Diözese Kempten ernannt. Ich hab Ihnen schon einen Ausweis

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