Kruzifix
und
jonglierten, um die Schreiberlinge bei Laune zu halten. Leider stießen selbst
Jos Zauberkünste an eine bestimmte Grenze: das Wetter.
Diese Gruppe von Medienvertretern war eingeladen worden, das schöne
Allgäu von seiner winterlich-romantischen Seite zu erleben. »Bäuerliches
Brauchtum im Bilderbuchwinter« hatte die Einladung versprochen. Der
Verantwortliche für dieses Bilderbuch hatte allerdings reichlich schwarzen
Humor bewiesen, denn dieser Winter fand in diesem Jahr irgendwo oberhalb von
dreitausend Metern statt – dort wo das Allgäu definitiv keine Berge mehr hatte.
Knapp darunter, also auf zweitausendneunhundert Metern, wo das Allgäu immer
noch keine Berge hatte, regnete es. Es schüttete wie aus Kübeln. Das erste
Motiv aus dem winterlichen Bilderreigen war bereits komplett abgesoffen: das
»Schalenggen-Rennen« in Wertach.
»Schalenggen« nennen die Allgäuer die großen hölzernen
Hörnerschlitten, die den Bergbauern früher hauptsächlich zur Beförderung von
Milch, Heu und Holz dienten. Seit 1982 gehörte Wertach zu den traditionellen
Ausrichtern von »Schalenggen-Rennen«, und jedes Jahr im Februar gehen bis zu
hundertdreißig Schlitten mit einer zweiköpfigen Besatzung an den Start. Schon
beim Aufstieg zum Start säumen Schnapsbuden den Weg, und die tollkühnen Piloten
trinken sich jede Menge Mut an. Den brauchen sie auch, denn nahezu unsteuerbar,
ungefedert und extrem bockig katapultiert der Schlitten seine Fahrer gern mal
in den Wald. Daher besagt das Reglement auch, dass beide Fahrer und
zumindest ein eindeutig identifizierbarer Teil des Schlittens durchs Ziel
kommen müssen.
Dieses Jahr war es eine besondere Höllenfahrt gewesen. Die Spur
bestand nur aus Eisplatten und Schlamm. Die Journalisten standen buchstäblich
im Regen, von Bilderbuch- und Fotowetter keine Spur! Eigentlich hätten die
Medienleute selbst eine Probefahrt machen sollen, aber das wäre auf dem Eis
mörderisch gewesen. Wobei es um einige von ihnen nicht schade gewesen wäre,
dachte Jo.
Das alles wäre ja noch angegangen, wären diese Medienvertreter alle
so gepolt wie die nette Alexandra aus Berlin oder eben Jens, der Reiseredakteur
einer großen Zeitung in Hamburg, den Jo schon lange kannte, mochte und ziemlich
sexy fand. Beide waren professionell, witzig – und ohne Berührungsängste bei
Worten wie »bitte« und »danke«. Worte, die beim Rest der Gruppe offenbar ein
Tabu waren.
Alexandra und Jens hatte Jo selbst eingeladen, die anderen waren ihr
von übergeordneter Stelle, dem Bayern-Tourismus, aufs Auge gedrückt worden. Man
hatte kurzerhand über Jos Kopf hinweg den Hotel- und Gaststättenverband zu Rate
gezogen und hossa!, jeder der Hoteliers hatte einen Medienvertreter in petto,
den er unbedingt einladen wollte.
Die Hoteliers hatten vor allem Mumien in der Kartei:
»Häppchen-Hannelores« und »Buffet-Brunos«, wie Jo sie nannte, waren Dinosaurier
aus Reisejournalisten-Zeiten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die
Petticoats noch am Lago Maggiore wippten und Songs von »Kleinen Italienern«
populär gewesen waren. Heute hatten die Mumien eine gute Rente und eine ganz heiße
Hotline. Wann immer es irgendwo eine » PK «,
Abkürzung für Pressekonferenz, mit Freibier und landestypischen Spezialitäten
gab, dann wussten sie davon. Heuschreckengleich fielen sie ein. Weil’s ihnen im
trauten Heim zu fad war, gingen sie noch immer auf große Fahrt. Ihre drögen
Traktate mussten sie nicht verkaufen, die bekamen die Zeitungen kostenlos, was
Verleger in Verzückung versetzte und freischaffende Schreiber in echte
Existenznöte. Zu der Kategorie Mumie gehörte zum Beispiel die Schupfnudel.
Das junge Mädel neben der Nudel kam immerhin von einer großen
unabhängigen, überregionalen Zeitung. Was die Hoteliers und Bayern-Tourismus
weniger interessierte: Sie war die Jahrespraktikantin. Sollte doch auch mal
rauskommen die Kleine, denn der Ressortleiter Reise hatte die Karibik
vorgezogen! Willi aus der Wirtschaft Südspanien und Pauli aus der Politik eine
Langlaufreise nach Finnland. Eine Reise ins Allgäu ging in der Redaktion trotz
Anpreisens wie Sauerbier nicht weg. Also fuhr die Praktikantin.
Jo stöhnte innerlich auf und dachte an einige der Hoteliers. »Im
Allgei isch es doch so schee«, pflegten die zu sagen, und damit war für sie
klar, dass die Medien nur auf eine Einladung warteten. Dass man gegen Mauritius
und Golfen in St. Andrews anstinken musste, das war schnurzpiepegal. Natürlich
war es »schee« im
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