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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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sieht.‹
    ›Es wird langsam, wie Ihr seht. Aber es bleibt noch viel daran zu tun.‹
    Ich zeigte auf das Gestänge und die Wasserrinnen am Abhang und fragte ihn:
    ›Warum windet es sich so im Zickzack hinauf?‹
    ›Es in gerader Linie zu bauen ist nicht möglich. Die Steigung ist sehr stark, sie beträgt über 2700 Fuß. Es müssen etliche Vorsprünge und Unebenheiten im Felsen überwunden werden, wo es sehr schwierig ist, die kupfernen Schöpfeimer miteinander zu verbinden.‹
    So also funktionierte sein Wunderwerk, ohne eine andere Antriebskraft als das Wasser: Der Fluß hob sich selbst bis zum höchsten Punkt der Stadt empor. Nie zuvor war auf der Welt etwas Vergleichbares errichtet worden. Und noch ehe das
artificio
de Juanelo
fertiggestellt war, hatte es schon mehr Besucher aus dem Ausland als die Kathedrale. Zurück in ihrer Heimat, schilderten sie es ihren Landsleuten in allen Einzelheiten, so daß halb Europa die Bauarbeiten erwartungsvoll verfolgte.
    ›Juanelo, so etwas kann man nicht bauen, ohne vorher alles gründlich durchgerechnet und sich Gedanken über die Proportionen gemacht zu haben‹, sagte ich voller Bewunderung.
    ›Alles ist Arithmetik, manch einer sagt, selbst Gott.‹
    |361| Ein Lächeln erhellte nun Turrianos Gesicht; es strahlte vor Stolz, jenem kindlichen Stolz bar jeder Eitelkeit, der ihn erfüllte, wenn jemand die schöpferische Leistung, die in seiner Erfindung steckte, erfaßte. Er wusch sich die Hände in einem Eimer Wasser, und während er sie sich mit einem Tuch abtrocknete, sagte er zu mir:
    ›Habt Ihr Hunger? Laßt uns zu mir nach Hause gehen. Es gibt marinierte Rebhühner, die uns köstlich munden werden zu dem guten Wein, den ich für solche Gelegenheiten im Keller aufbewahre.‹
    ›Man erwartet mich aber zum Essen.‹
    ›Wir schicken einen Burschen, damit er Euch bei Don Manuel entschuldigt.‹
    Der Baumeister wohnte ganz in der Nähe der Plaza del Carmen in einem Haus, dessen Mauerwerk sehr solide wirkte, das aber feucht und kalt und so bescheiden eingerichtet war, daß es bei einem Mann von so hohem Ansehen befremdete. Er erwähnte es mir gegenüber zwar nicht, später aber erfuhr ich, daß die Rebhühner ein Geschenk von einem seiner Handwerker waren, der ein paar Edelleute auf die Beizjagd begleitet hatte. Die Beute war so reichlich ausgefallen, daß selbst er etwas davon abbekommen hatte.
    Kaum hatte der ehemals kaiserliche Uhrmachermeister die Tür aufgestoßen, kam eine schwarze Katze gelaufen und strich ihm um die Beine. Turriano bückte sich und nahm sie mit seinen großen Pranken behutsam hoch.
    ›Erinnert Ihr Euch noch an dieses Tier, Raimundo?‹ fragte er, während er es zärtlich streichelte.
    ›Sollte ich?‹
    ›Ihr wart mit mir in Yuste, als es in einem Weidenkörbchen aus Portugal eintraf. Das Kätzchen war ein Geschenk für den Kaiser. Von seiner Schwester Katharina.‹
    ›Und Ihr habt es nach dessen Tod behalten.‹
    ›Na ja, sagen wir mal, ich habe es adoptiert. Vielmehr, es hat mich adoptiert. Es ist das einzige, was ich von dort mitgenommen habe. Als Seine Majestät Karl V. gestorben war – ich hatte |362| meine Sachen schon zusammengepackt –, wollte ich ein letztes Mal durch das Kloster gehen, das mit so vielen Erinnerungen verbunden war. Bei meinem Spaziergang durch den Garten entdeckte ich einige von den letzten Sommerstürmen herrührende Schäden und bewunderte eine Lilie, die dem Gärtner, Ehrwürden Marcos de Cardona, zufolge schon im Juni hätte blühen sollen, aber anscheinend drei Monate gewartet hatte, um ihre Knospe als postume Ehrung für den Kaiser zu öffnen. Ich bewunderte also gerade die weiße Lilie, als das Kätzchen angelaufen kam. Zu Lebzeiten des Kaisers hatte es ein wahres Schlemmerleben geführt, aber nach dessen Tod war es im großen Getümmel der abreisenden Höflinge in Vergessenheit geraten. Die Mönche hatten wie üblich wichtigere Dinge zu tun; das Leben des Tierchens, das schmutzig und abgemagert vor mir saß, galt dort nicht viel. Es sah mich flehentlich an, bat mich geradezu, es nicht zurückzulassen. Und so beschloß ich, es mitzunehmen. Und hier ist die Katze nun, inzwischen uralt und halb blind, aber doch die Königin des Hauses.‹
    Während der Tisch für uns gedeckt wurde, zeigte Turriano mir das Haus. In seiner Werkstatt entdeckte ich einen Apparat, der mir irgendwie vertraut vorkam.
    ›Ihr habt sie also doch gebaut! Cardanos Kombinationsmaschine, meine ich.‹
    ›Nicht ganz, Ihr werdet es gleich

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