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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Niederträchtigkeit nicht zutraue. Du
mußt
mit ihm sprechen. Denk daran, uns bleiben nur noch vier Tage.«
    »Das reicht sicher. Erzählt mir lieber, was geschah, als Ihr nach Antigua zurückgekehrt seid. Nachdem ihr vor Askenazis Hintermännern geflohen seid, die auf dem Markt von Jerusalem schon nach Euch suchten.«
    |356| »Du warst noch sehr klein, als wir hierherkamen.«
    »So klein nun auch wieder nicht,Vater«, widerspricht Ruth. »Ich erinnere mich noch genau daran, wie Ihr Mutter und mich zu Manuel Calderón gebracht habt. Und auch an das Gesicht, das Rafael aufsetzte, als er Euch mit uns das Haus betreten sah. Es hat ihm ganz und gar nicht gefallen, Euch künftig mit uns teilen zu müssen.«
    »Das stimmt. Und das, obwohl er in der Zwischenzeit ganz schön gewachsen war.« Raimundo Randa muß schmunzeln, als er an das mißmutige Gesicht des kleinen Rafael zurückdenkt.
    »Mutter fiel es allerdings noch schwerer, sich mit den neuen Gegebenheiten abzufinden, obwohl Manuel und Blanca Calderón sehr freundlich zu ihr waren und sich um sie bemühten. Die beiden standen uns ja auch Pate, als Mutter und ich die Taufe empfingen, und waren bei Eurer Hochzeit Trauzeugen. Aus Liebe zu Euch fügte Mutter sich ins Unabänderliche. Euch klagte sie nie ihren Kummer, aber ich sah sie oft weinen, wenn sie unter dem Getuschel und den Blicken der Nachbarinnen vom Markt zurückkehrte. Im Innersten fühlte sie sich zerrissen, und nur ihr natürlicher Frohsinn und ihr ausgeprägter Optimismus sorgten dafür, daß man es ihr nicht ansah.«
    »Wir haben das vor allem für dich getan, mein Kind. Wir wollten beide nicht, daß du in der Angst vor fortwährenden Verfolgungen aufwächst.«
    »Und warum habt Ihr uns dann kurz darauf wieder allein gelassen?« Aus ihren Worten ist der Vorwurf, den sie ihm nach wie vor macht, deutlich herauszuhören.
    »Das wirst du gleich verstehen, hab etwas Geduld«, erklärt Randa beschwichtigend. »Ich mußte euch doch vor Artal de Mendoza beschützen. Und ich mußte einen Weg finden, wie ich uns ernähren konnte. Und schließlich mußte ich uns irgendwie von dem Stigma befreien, Renegaten zu sein, und zwar am besten, indem ich die Gunst des Königs zu erlangen suchte, aus der aller Schutz erwächst. Wir durften den Calderóns nicht ewig zur Last fallen. Es war die Gelegenheit, noch |357| einmal neu anzufangen, und sie bot sich uns auf unverhoffte Art und Weise.
    Die Dinge hatten sich in all den Jahren, die ich fern der Heimat weilte, sehr verändert. Nach dem Tod Kaiser Karls V. war nichts mehr wie zuvor. Juanelo Turriano war nicht mehr länger königlicher Uhrmachermeister, sondern inzwischen königlicher Baumeister, wenn beides auch fast auf dasselbe hinauslief. Der Arkebusier Herrera war zum königlichen Architekten ernannt geworden. Und die königliche Residenz hatte man von Antigua nach Madrid verlegt. Einmal mehr wußte ich nicht, wie ich es unter diesen Umständen zu etwas bringen sollte.
    All diese Neuigkeiten erfuhr ich von Don Manuel. Dafür weihte ich ihn in einige der Geheimnisse ein, welche die Casa de la Estanca allem Anschein nach barg. Ich erzählte ihm die Teile von Azarquiels Geschichte, die mit dem Verstand zu fassen waren. Ich schilderte ihm die Mühen jenes kleinwüchsigen Mannes, der dreihundert Jahre zuvor von Fes nach Antigua gereist war, damit ihm der Rabbiner Samuel Toledano half, das alte Pergament zu entziffern. Und ich erzählte ihm von dessen Häuserkauf im besten Viertel der Stadt, von Azarquiels wachsendem Reichtum, seinem Tod und der Vertreibung der Juden, von der Verteilung des Pergaments auf die zwölf Familien und von den an den umliegenden Häusern angebrachten geheimen Zeichen.
    Calderón hörte mir höflich zu, doch schien ihn mein Bericht nicht zu überzeugen.
    ›Ihr behauptet also, die Casa de la Estanca stehe noch als einziges Haus von denen, die Azarquiel für seine unterirdischen Grabungen genutzt hat?‹ fragte er skeptisch. ›Ich kenne das Gebäude in- und auswendig, und mir ist nicht bekannt, daß es außer dem Abfluß für das Wasser noch einen anderen Schacht hinab in Antiguas Untergrund gäbe. Und der Wasserabfluß ist für einen Menschen viel zu eng.‹
    Ich ließ jedoch nicht locker und drängte ihn, gemeinsam mit mir die Kellergewölbe nach Zeichen zu durchsuchen, die mit |358| irgendeinem der Muster der elf Pergamentkeile übereinstimmten. Doch wir entdeckten weder irgendwelche Strichzeichnungen noch einen Hinweis auf einen begehbaren Stollen.

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