Kryptum
plötzlich vor Don Rodrigos Bildnis steht. Dort, im Wüstenpalast von Qusayr ’Amra – das meinem fiktiven Qasarra Pate stand –, ist dieser letzte westgotische König, den wir alle noch aus unserer Schulzeit kennen, auf einer Wandmalerei der Audienzhalle zu bewundern. Und man muß nur dem schönen Toledo einen Besuch abstatten, damit einen die Legenden, die den Verlust Spaniens an die Araber beklagen, in ihren Bann ziehen. Ohne diesen Widerhall vergangener Zeiten würde es diesen Roman nicht geben, nur durch sie findet er seine Daseinsberechtigung. Es wäre übertrieben, in allen Einzelheiten auf die zahllosen Orte einzugehen, die ich besucht habe, um die Schauplätze meines Romans festzulegen. Wohl aber möchte ich den Lesern nicht vorenthalten, wo ich das Labyrinth in Kufi-Schrift entdeckt habe. Es befindet sich in der Moschee des Sultans al-Muaiyad in Kairo, wo ich dieses Meisterwerk der Kalligraphie zum ersten Mal bewundern konnte. Ich habe am Computer einige für die Handlung notwendige Varianten eingebaut; die graphischen Arbeiten von Mamoun Sakkal, einem Meister der arabischen Kalligraphie, beflügelten diesbezüglich meine Phantasie. In diesem Zusammenhang danke ich meinem Kollegen Federico Corriente, Professor für Arabische Philologie an der Universität Zaragoza, für seine Hilfe bei der Transkription der Thron-Sure. Doch darf ihm keinesfalls weitere Verantwortung zugeschoben werden, was im übrigen auch für alle anderen noch zu nennenden Personen gilt. Für meine Streifzüge ins Reich der Fiktion bin ich allein verantwortlich. Ich habe viele hervorragende Fachleute um Rat gebeten. Mein Fabulieren soll ihrem hohen Ansehen unter keinen Umständen schaden.
|739| Ich bin jedoch nicht nur selbst viel gereist, sondern habe mich auch der Berichte einiger großer Reisender bedient, die die Länder, Völker und Kulturen, um die es in diesem Buch geht, besuchten, von Benjamin von Tudela über Ibn Batuta bis zu Don Juan de Persia und Wilfred Thesiger. Vor allen anderen aber muß ich Domingo Badía y Leblich nennen, der den fingierten Namen Ali Bey annahm, um als verkleideter abbassidischer Prinz nach Mekka reisen zu können. Sein Reisebericht ›Viajes‹ (»Reisen«) war eine der Hauptquellen, die mich zu Raimundo Randas Abenteuern inspirierten. Auch die wunderbare Romanbiographie, die Ramón Mayrata ihm gewidmet hat, möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen. Da einige der Genannten in der Zeit vor Philipp II. und der historische Ali Bey wesentlich später – zur Zeit Karls IV. und seines berüchtigten ersten Ministers Godoy – lebten, habe ich für Randas Geschichte noch auf eine ganze Reihe anderer zeitgenössischer Zeugnisse zurückgegriffen. Besonders nützlich war mir dabei ›Descrittione dell’Africa‹ (»Beschreibung Afrikas«) von Leo Africanus. Aber auch ›Las Coplas del Peregrino de Puey Monçon. Viaje a la Meca en el siglo XVI‹ (»Die Pilgerstrophen von Puey Monçon. Eine Mekka-Reise im 16. Jahrhundert«) von Mariano de Pano y Ruata, von dem ich durch meinen Kollegen und guten Freund José Luis Calvo Carilla, Professor für Spanische Literatur, gehört hatte. Dieser Pilgerbericht eines Morisken aus einem abgelegenen aragonesischen Dorf, der zahllosen Gefahren trotzte, um das muslimische Gebot zu erfüllen und dem Schwarzen Stein der Kaaba seine Ehrerbietung zu erweisen, ist eine wahrlich mitreißende Lektüre, die es einem erlaubt, nachzuempfinden, wie es ihm ergangen sein muß, als er diese Anstrengung Mitte des 16. Jahrhunderts auf sich nahm.
Des weiteren habe ich mich von thematischen Ausstellungen beflügeln lassen. Deren könnte ich viele nennen, denn ich bin geradezu süchtig danach, doch will ich mich auf drei beschränken: 1998 ›Felipe II – los ingenios y las máquinas‹ (»Erfindungen und Maschinen zur Zeit Philipps II.«) im Pabellón |740| Villanueva des Botanischen Gartens von Madrid; ›L’âme au corps‹, eine Ausstellung über die Beziehungen zwischen Kunst und Wissenschaft im Grand Palais von Paris im Oktober 1993; und vor allem die Ausstellung, die 1992 in Brüssel über die Taxis präsentiert wurde, ›De post van Thurn und Taxis‹ (»Die europäische Post der Thurn und Taxis«). Ihr Botennetz durch ganz Europa dokumentiert zu sehen, das sich wie ein Nervensystem verzweigte, hat meine räumliche Wahrnehmung des Kontinents radikal verändert, so wie die Lektüre von Fernand Braudels ›La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de
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