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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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noch vor seinem
Tod aufgetragen hat, sende ich Euch diesen Brief. Bis zu dem
heutigen Tag, an dem ich mit der Niederschrift der wahren Geschichte
der Gründung des Klosters San Lorenzo el Real de El
Escorial beginnen möchte, habe ich keine Zeit gefunden, all meine
Unterlagen zu ordnen. Denn auch Benito Arias Montano
und König Philipp II. sind verschieden. Und alle drei starben so
schnell hintereinander, daß man fast glauben könnte, ihre Geschicke
seien miteinander verknüpft gewesen.
    Zuvor konnte Herrera jedoch noch die Plaza Mayor von Antigua
fertigstellen. Keine Mühen hat er gescheut, und heute ist sie
der Stolz der Stadt und bewahrt sie vor Geschehnissen wie jenen
, die auf Euer Verschwinden folgten. Sein Dahinscheiden rief
allgemein große Trauer hervor. Philipp II., der vier Frauen und
viele Söhne und Töchter verloren hatte, bedauerte denTod seines
Baumeisters zutiefst, denn unter seinen Untertanen war er derjenige
, der ihm mit seinen Bauwerken die größte Befriedigung
verschafft hatte, viel mehr noch als seine Heere, wie seinerzeit
schon Meister Montano sagte.
    Der Monarch hatte ganze Säle voller Entwürfe für Kirchen
und alle Arten von Gebäuden, die von den fähigsten Baumeistern
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der Welt errichtet worden waren. Er las alles, studierte alles,
was mit diesen Themen zu tun hatte, um alle Konstruktionen
seiner Zeit wie auch die aus der Vergangenheit kennenzulernen.
Einiges von dem, wonach er suchte, läßt sich einem Buch entnehmen
, das zwei Jesuiten in Rom geschrieben haben und in dem sie
ausführlich aufzeigen, wie Salomos Tempel wirklich aussah und
wie man seinemVorbild undWesen mit diesem Kloster nachzueifern
suchte.
    Herrera und Montano starben eines sanften Todes, wie auch
ihr Leben friedlich verlaufen war. Nicht so jedoch der König, dessen
Todeskampf lang und schrecklich war, so daß er genug Zeit
hatte, sich an Ereignisse zu erinnern, in die auch Ihr verwickelt
wart. Vor allem anderen an Eure Flucht, die Artal de Mendoza
den Kopf kostete. Später erfuhr man, daß er in Eurer Zelle stranguliert
wurde, mit einem bloßen Strick und einem Stück Holz
für die Garotte. Während sie seinen Hals in das Eisen zwängten
, protestierte er, daß dies kein Tod für einen Edelmann sei,
denn dafür hielt er sich. Doch der Henker gab ihm zur Antwort,
er sei nicht mehr als ein Bastard, was sein Betragen auch deutlich
bewiesen habe.
    Ich weiß nicht, ob Ihr Kenntnis davon habt, wie Philipp II. die
Nachricht von Eurem spurlosen Verschwinden aufnahm. Minotaurus
in seinem Labyrinth mag nicht stärker getobt haben. Ich
sah ihn selbst zu den merkwürdigsten Tages- und Nachtzeiten
mit jenem Hauptschlüssel – dessen Schließmechanismus nur an
einigen Türen des Escorial eingesetzt worden war – durch das
Kloster wandeln und überall Schlösser ausprobieren, als könne er
nicht glauben, was man ihm über Euch erzählt hatte. Ich dachte
eigentlich, er habe das alles längst vergessen. Doch weiß man
nicht, was einem Menschen, selbst einem König, wirklich wichtig
ist, bis seine letzte Stunde geschlagen hat.
    Das sage ich Euch, weil ihm keine der vielen und wertvollen
Reliquien, die er im Laufe seines Lebens angesammelt hatte, in
jenem Moment Trost spenden konnte. Und ich mußte lange forschen
, bis ich herausfand, wonach er suchte.
    Es war jenes Pergamentfragment, auf dem das Wort
ETEMENANKI |732|
geschrieben stand, dem er höchstpersönlich
Der letzte Schlüssel
hinzufügte. Mit diesem Keil in der Faust
glaubte er seine letzte Reise beruhigt antreten zu können.
    Zu jener Zeit befand sich Seine Majestät schon am furchtbarsten
Punkt seiner Krankheit …
    Der Brief geht noch eine ganze Weile weiter. Sigüenza berichtet ihm vom schrecklichen Todeskampf Philipps II., von seiner fixen Idee, mit diesem Pergamentstück in der Hand zu sterben, und schließt mit folgenden Worten:
    … Ich bitte Euch, mich wissen zu lassen, ob Euch nach Montanos
und Herreras Ableben diese Nachrichten aus Spanien noch
immer interessieren. Denn mit ihrem Tod und dem des Königs ist
niemand mehr übrig von denen, die in Eure Geheimnisse eingeweiht
waren. Und ich denke, nur wenigen wird eine Angelegenheit
noch etwas bedeuten, die seinerzeit für soviel Wirbel sorgte
und Seiner Majestät so viele schlaflose Nächte bereitete. Ich selbst
werde jedoch fortan all die Papiere sammeln, die zuvor gut weggeschlossen
waren und die heute weniger bedeutsam und darum
zugänglicher sind, denn ich habe vor, eine Chronik von all dem
zu schreiben,

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