Kryptum
spärliches Bärtchen abzeichnete, das ansonsten aber gut zu den schwammigen Gesichtszügen paßte. Bealfeld betete zu Gott, daß er ihn nicht zu den seltsamen Geräuschen befragen mußte.
Doch der Kommissar hatte Pech: Als habe er seine Gedanken erraten, kam der Inspektor auf ihn zu, in Begleitung eines eleganten alten Herrn mit weißem Bart, der sich eines Spazierstocks bediente, um sein leichtes Hinken auszugleichen. Gutiérrez stellte ihn vor.
»Juan Antonio Ramírez de Maliaño, unser städtischer Architekt. Er ist …«
»Sara hat mir bereits von Ihnen erzählt«, fiel ihm der alte Mann ins Wort und zog Bealfeld energisch beiseite, um mit ihm unter vier Augen sprechen zu können.
»Was ist hier passiert?« fragte der Kommissar, als sie allein waren.
»Wir haben keine Ahnung«, antwortete der Architekt. »Meine Leute überprüfen gerade den Zustand der umliegenden Gebäude. Alles scheint jedoch weitgehend in Ordnung zu sein. Aber sagen Sie, wo steckt Sara? Haben Sie sie nicht mitgebracht?«
»
Well
…«, stammelte Bealfeld, »also …«
In diesem Moment hörten sie ein eindringliches »Schsch«. Ein Mann mit Kopfhörern machte ihnen Zeichen, still zu sein. Er hockte vor einer Batterie von Mikrophonen, an die ein Netz aus Kabeln angeschlossen war, die man über den ganzen Platz verlegt hatte.
Bealfeld warf dem Architekten einen fragenden Blick zu, worauf ihm dieser kaum hörbar ins Ohr flüsterte:
»Er nimmt die Geräusche auf.«
»Welche Geräusche? Ich höre nichts mehr.«
|15| »Sie sind noch nicht ganz verklungen … Sie hätten vor einer halben Stunde hiersein sollen. Es war furchterregend.«
»Ich habe es sogar durchs Telefon gehört. Wo können wir miteinander sprechen, ohne diesen Herrn dort zu stören?«
»Mein Büro ist gleich hier an der Plaza Mayor. Gedulden Sie sich noch einen Moment, bis Presti die Obrigkeiten verabschiedet hat.«
»Gibt es keine Anwohner?«
»Nein. Die Räumlichkeiten gehören alle der Stadt.«
Als er den Nuntius auf sie zukommen sah, tippte Maliaño den Mann mit den Kopfhörern vorsichtig an und zeigte mit dem Finger hinauf zu den Fenstern seines Büros. Der andere nickte und bedeutete ihnen wortlos, er werde gleich nachkommen.
Mit einer herrischen Geste forderte Presti sie auf, ihm zu folgen, wobei er Inspektor Gutiérrez geflissentlich übersah, dem die Verärgerung darüber deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Auf der Treppe blieb der Nuntius jedoch noch einmal stehen und nahm Bealfeld beiseite; er ließ sich sogar dazu herab, sich zu ihm zu beugen und ihm vertrauensvoll ins Ohr zu tuscheln.
»Man hat mich über Mrs. Toledanos Verschwinden unterrichtet. Behalten Sie es unter allen Umständen für sich.«
Sogleich richtete er sich wieder auf, und sein hageres Gesicht erstarrte erneut zur Maske. Bealfeld hatte einmal mehr das unangenehme Gefühl, daß dieser Mann glaubte, ihm Befehle erteilen zu können, weil er römisch-katholisch war. Doch genaugenommen fühlte Presti sich im Recht, restlos alle Sterblichen herumkommandieren zu können. Im Büro des Architekten steuerte er schnurstracks auf den Sessel zu, der die Sitzgruppe beherrschte, und ließ sich darin unaufgefordert nieder. Die Besprechung eröffnete er nicht etwa damit, dem Architekten für die Bereitstellung seiner Büroräume zu danken oder ihn zu den Geräuschen zu befragen, sondern er warnte ihn gleich vor.
»Meine Zeit ist knapp bemessen. Es ist schon hell, und wenn |16| Seine Heiligkeit erwacht, muß ich an seiner Seite sein, um ihn auf die Termine des heutigen Tages vorzubereiten.«
Beim Sprechen hatte er seelenruhig seine goldgefaßte Brille geputzt, ohne ein einziges Mal aufzusehen. Nun setzte er sie wieder auf seine Adlernase und blickte den Architekten hochmütig an.
»Und, was sagen Ihre Leute? Hat der Platz durch die eigentümlichen Geräusche Schaden genommen?«
»Nein, das hat er nicht, soweit wir das momentan beurteilen können. Aber ich rate immer noch nachdrücklich davon ab, den Festakt auf der Plaza Mayor abzuhalten.«
»Mein Gott, Maliaño, ich habe Sie nicht um Ihre Meinung gebeten«, fuhr Presti ihn in barschem Ton an. »Ich habe nur gefragt, ob der Platz Schaden genommen hat. Aus Ihren Worten schließe ich, daß Sie dies in Ihrem Gutachten auch bestätigen können …«
»Nichtsdestotrotz werde ich darin meine Bedenken gegen Ihr Vorhaben äußern«, fügte der Architekt ungerührt hinzu. Er hatte keinen besonderen Nachdruck auf seine Worte gelegt, doch war deutlich
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