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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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bekam, wies ich ihn an, die Winde zu unserer Unterstützung zu rufen. Er wollte sich weigern und erinnerte mich erneut an die sparsame Verwendung der Magie. Doch meine Ungeduld ließ mich seinen Einwand verwerfen. Ein guter Diener spürt, wo die Grenzen seines Herrn Geduld sind und wann dieser ärgerlich wird. Undso rief er mit einem ergebenen Schulterzucken und einem tiefen Seufzer gegen seine Überzeugung die Winde.
    ›Aeras tok de galavak. In furio ti temper davia.‹
    Das waren die magischen Worte, die Kallahan sprach, um die Winde zu entfesseln. Der Spruch ging ihm leicht von den Lippen, so als hätte er nie etwas anderes getan. Ich musste nicht eingreifen oder ihn berichtigen. Als gelehriger Schüler und Meister wusste er, was er tat. Und er beging selten einen Fehler. Kaum hatte er das letzte Wort in der Sprache der Altvorderen ausgesprochen, blähten die Winde unsere Segel und wir nahmen endlich Fahrt auf. Kallahan beherrschte die Sprache der Altvorderen wie kaum ein anderer und es gelang ihm sogar, den uralten Akzent perfekt nachzuahmen. Ich muss gestehen, mir selbst fiel die Aussprache längst vergessener Worte einer toten Sprache deutlich schwerer.
    Ein Ruck ging durch das Boot. Die Seile knirschten unter der plötzlichen Anspannung. Geschwind trieben uns die Winde über das Meer, unserem Ziel, der Insel Karlak, entgegen. Ähnlich einem Flug über den Wolken löste das forsche Segeln ein Gefühl der Freiheit und des Glücks in meinem Innersten aus. Ich lachte lauthals – Kallahan mochte mich für verrückt halten – und ließ den Tränen in meinen Augen freien Lauf. Eine Wohltat, den Wind in den Haaren und die Gischt auf Wangen und Stirn zu spüren.
    Nachdem wir auf diese Weise einige Zeit rasend schnell über die Wellen dahinglitten, sichtete Kallahan die ersten Moldawarrückenflossen. Unser Boot in zwar enger werdenden, aber immer noch sicheren Abständen stetig umkreisend, prüften sie die Lage und hielten Ausschau nach möglichen Opfern. Vielleicht lauerten sie bereits auf eine günstige Gelegenheit. Verkrampft hielt sich Kallahan an der Reling fest, statt den flotten Wellenritt zu genießen. In seinem Elend tat er mir aufrichtig leid. Doch ich konnte nichts dagegenunternehmen, ihm die Angst vor einem Kentern und den Moldawars zu nehmen.
    Hätte er bemerkt, was ich im nächsten Moment verwundert erblickte, seine Augen hätten sich vor Schreck geweitet. Zum Glück saß er mit dem Rücken zur Fahrtrichtung und sah entweder zu mir oder zurück auf das stetig kleiner werdende Land des Kontinents Ell. Wie aus dem Nichts türmte sich eine Welle vor unserem Boot auf. Die Wassermassen sammelten sich und erhoben sich zu einer undurchdringlichen Wand. Höher und höher stieg das Wasser. Die Winde trieben uns unaufhaltsam darauf zu. Wenn ich nicht etwas unternahm, würden wir entweder mitten in die Welle hineinfahren und untergehen oder das Wasserungetüm drohte jeden Augenblick über uns hereinzubrechen und uns zu zerschmettern. Das kribbelnde Gefühl in meinem Bauch verriet mir, dass die Welle keineswegs natürlichen Ursprungs war. Es hatte keinerlei Vorzeichen gegeben, die auf eine solche Naturgewalt hätten schließen lassen. Kein Seebeben und kein Sturm waren der Erscheinung vorangegangen. Jemand oder etwas hatte sie magisch erschaffen und wollte uns an einem Weiterkommen auf diesem Wege hindern. Ich verhielt mich ruhig und brauchte Zeit zum Überlegen, die wir nicht hatten. Aber ich wollte Kallahan nicht beunruhigen. Die Welle hatte ihren höchsten Punkt erreicht und verharrte in einer eigenartigen Starre, bewegte sich nur in sich selbst, ohne dass die Wassermassen sofort auf uns herabstürzten.
    ›Nilatja!‹, schrie ich in schlechtem Akzent der Altvorderen.
    Kallahan sah mich erstaunt an. Die Winde legten sich auf mein Geheiß hin sofort. Schlaff hingen die Segel herab und das Boot verlangsamte seine Fahrt so abrupt, dass wir beide nach vorne übereinanderfielen und beinahe kopfüber von Bord gegangen wären. Ein gefundenes Fressen für die sich zahlreich im Wasser tummelnden Raubfische.
    ›Was zum ...‹, schrie Kallahan entrüstet, ›was ist los?‹
    ›Sieh dich um!‹ antwortete ich, wohl wissend, dass ihm der Schock über den Anblick der Riesenwelle die noch verbliebene Farbe von den Wangen treiben würde.
    Aber ich konnte ihm das Ereignis nicht vorenthalten. Wir mussten handeln. Kallahan drehte den Kopf und erstarrte in der Bewegung, als wäre er zu Stein geworden.
    ›Die Nno-bei-Maya heißen

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