Kryson 04 - Das verlorene Volk
uns auf ihre Weise willkommen‹, sagte ich beiläufig.
›Oder auch nicht‹, entgegnete Kallahan.
Natürlich lag Kallahan richtig. Die Maya wollten verhindern, dass wir ihre Insel betraten. Was auch immer sie vor meinen Augen zu verbergen trachteten, ich musste es nichtsdestotrotz herausfinden. Und eine Welle – so gigantisch und zerstörerisch sie erscheinen mochte – würde mich von diesem Vorhaben gewiss nicht abhalten.«
Pydhrab hielt inne und rieb sich die Augen. Er erinnerte sich noch gut an die Katastrophe von Eisbergen. Augenzeugen hatten von einer gigantischen Welle und auf ihren Gipfeln gierig tanzenden Moldawars berichtet, die halb Eisbergen vernichtet und viele Klan verschlungen hatten. Der Kaptan fragte sich, ob die Katastrophe etwa magischen Ursprungs gewesen sein konnte. Er würde Fragen stellen, sobald er Gelegenheit dazu erhielt. Aber wer wollte das im Nachhinein nach so vielen Sonnenwenden noch mit Gewissheit sagen. Alles war möglich. Dem dunklen Hirten jedenfalls traute er einen solchen Anschlag ohne Weiteres zu, selbst wenn es in den vergangenen Sonnenwenden sehr still um den magischen Bruder geworden war. Er wusste, dass die Saijkalrae wach waren und auf ihre Gelegenheit warteten. Und doch beschlich ihn ein ungutes Gefühl, als er sich den Reisebericht des Ulljan zu Gemüte führte.
Pydhrab seufzte, streckte seine Glieder, ließ den Kopfkreisen bis die Wirbel krachten. Danach fühlte er sich besser und widmete sich wieder konzentriert seiner Arbeit.
»Wir wendeten das Boot. Als ob wir mit den Winden ein Zeichen verabredet hätten, füllten sich augenblicklich die schlaff herabhängenden Segel und trieben uns geschwind in Richtung Festland. Ein Blick zurück verriet mir, dass sich die Welle gelegt hatte. Nichts war mehr zu sehen von der unüberwindlichen Wasserwand, die uns den Weg zur Insel der Nno-bei-Maya versperrt hatte.
›Wir segeln in die falsche Richtung‹, bemerkte ich ungehalten und befahl, ›hol die Segel ein.‹
›Bist du dir sicher, Ulljan?‹ hakte Kallahan mit einem Gesichtsausdruck nach, der mir verriet, dass er gänzlich anderer Meinung und gewiss erleichtert war, von der Insel wieder Abstand zu gewinnen.
›Du erinnerst dich an unser Vorhaben‹, meinte ich. Ich hatte Mühe, mir ein Schmunzeln ob der Verzweiflung in seinen Augen zu verkneifen.
›Natürlich!‹, murrte Kallahan. ›Was schlägst du also vor?‹
›Meine Empfehlung lautet, dass wir umkehren und es erneut probieren. Vielleicht sollten wir es über die Lüfte versuchen.‹
›Wir könnten einen Ballon verwenden, der uns sicher nach Kartak brächte‹, regte Kallahan an.
›Hast du gerade einen zur Hand?‹, wollte ich wissen.
›Nein‹, gab der Magier kleinlaut zu, ›aber es wäre keine Schwierigkeit an Land alles Notwendige zu besorgen.‹
›Und es erst Tage später anzugehen‹, unterbrach ich ihn.
Kallahan wusste sehr wohl, woran ich in jenem Moment gedacht hatte. Magie war die einzige Möglichkeit, die Barrieren der Nno-bei-Maya zu überwinden.
›Du willst also nach Kartak fliegen‹, stellte Kallahan trocken fest.
›Genau so, wie ich es von Anfang an vorhatte. Wir brauchen nicht zum Festland zurückkehren, sondern lassen das Boot einfach hier an Ort und Stelle. Das wäre kein großer Verlust, sollten wir es nach unserem Besuch nicht wiederfinden‹, antwortete ich. ›Oder hast du einen besseren Einfall?‹
Kallahan starrte verlegen auf die Planken des Schiffsbodens. Er hatte keine bessere Idee und musste sich schließlich geschlagen geben.
Die Magie des Fliegens oder auch das Schweben über dem Boden ist im Grunde denkbar einfach in der Anwendung für einen Begabten. Sie erfordert lediglich ein gewisses Maß an Konzentration und den festen Willen, sich in die Lüfte zu erheben. Zuerst wird der Geist vollständig geleert und jeder überflüssige gedankliche Ballast abgeworfen, um sich leicht zu machen und sich schließlich vom Boden zu lösen. Natürlich hat der Flug seine Tücken, so wie jede Anwendung magischer Kräfte am Ende gefährlich sein kann und ihre Auswirkungen nicht vollständig bekannt sind. Das Gefühl des Fliegens ohne jedes Hilfsmittel ist gewöhnungsbedürftig und nicht für jeden Begabten gleichermaßen angenehm. Es gilt, die Kräfte richtig einzuteilen. Wer sich dabei überschätzt, wird gewiss um eine schmerzliche, wenn nicht gar tödliche Erfahrung reicher sein. Ist die Angst vor Höhe und Absturz aber überwunden, gibt es beinahe nichts Vergleichbares, das
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