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Kryson 04 - Das verlorene Volk

Titel: Kryson 04 - Das verlorene Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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einem ein solches Gefühl der Freiheit und Ungebundenheit von den sonst bindenden Elementen verschaffen könnte.
    Ich wollte nicht länger warten oder mich auf einen weiteren Disput über das Für und Wider mit Kallahan einlassen und machte deshalb den Anfang. In Gedanken sah ich einen Riesenvogel, gleich einem Dschan, majestätisch über das Wasser gleiten. Das Bild half mir, mich frei zu machen und den unbedingten Wunsch zu wecken, es diesem Tier gleichzutun. Jetzt.
    Wenige Augenblicke später befand ich mich sechzig Fußüber dem Boot schwebend und blickte hinab zu Kallahan, der mich von unten skeptisch beobachtete. Ich lachte laut und deutete ihm mit einer Handbewegung an, mir zu folgen. Wie es sich für einen treuen Gefährten gehörte, erhob er sich ebenfalls vom Schiff aus in die Lüfte und gewann rasch an Höhe.
    ›Bist du nun zufrieden?‹, fragte er, als er mich erreicht hatte.
    ›Mehr als das‹, antwortete ich, ›es erstaunt mich jedes Mal aufs Neue, welch wunderbare Dinge wir mit unserer Begabung erfahren dürfen.‹
    ›Das Fliegen gehört gewiss nicht zu meiner bevorzugten Fortbewegungsweise‹, erwiderte Kallahan und blickte dabei ängstlich nach unten, vorbei an seinen Füßen auf die Wasseroberfläche. ›Lass uns dies rasch beenden, bevor mir übel wird und ich die Fische mit halb verdautem Speisebrei füttern darf. Zum Glück habe ich zum Frühstück nur wenig davon gegessen.‹
    ›Na, dann los‹, trieb ich uns voran.
    Kaum hatten wir die Stelle erreicht, an der sich uns zuletzt die Welle gezeigt hatte, erhoben sich vor unseren Augen dunkle Wolken von der Insel, die sich in wenigen Sardas zu einer selten gesehenen Schwärze verdichteten und mit der Geschwindigkeit eines verheerenden Sturmes auf uns zubewegten. Kallahan riss die Augen weit auf, als die Wolken unaufhaltsam näher kamen. Grelle Blitze zuckten aus ihnen hervor, die uns blenden sollten. Ein Donnern und ohrenbetäubendes Grollen folgte auf jeden Blitz, das geeignet gewesen wäre, selbst den stärksten Berg ins Wanken zu bringen.
    ›Sieh doch!‹, rief Kallahan mir eine Warnung zu.
    ›Ich bin weder blind noch taub‹, gab ich zurück. ›Sie wollen uns mit Dunkelheit in die Flucht schlagen. Ausgerechnet mich, dem sie damit keinen größeren Gefallen tun könnten.‹
    ›Aber, Ulljan‹, schrie mein Gefährte, ›der Sturm wird unshinwegfegen und mit Vehemenz ans Festland nach Ell zurückwerfen. Wir werden zerschmettert.‹
    ›Unsinn‹, antwortete ich, ›die Dunkelheit ist meine Welt. Ich werde sie mit Freuden empfangen, sie verschlingen und in mir aufnehmen, als wäre sie die süßeste Nahrung, die uns die Kraft verleiht, den Flug unbeschadet zu Ende zu bringen.‹
    Die Wolken rasten auf uns zu. Ich breitete meine Arme aus, lachte und jauchzte vor Glück. Es war mir gleichgültig, was mein Schüler dachte. An seinem entgeisterten Blick konnte ich erahnen, was in ihm vorging. Er musste glauben, ich hätte den Verstand verloren. Die Heftigkeit des Sturms brachte uns gehörig ins Straucheln. Tiefste Schwärze wirbelte um uns herum, riss uns nach oben und drohte uns im selben Moment wieder hinunterzudrücken. Dort, unter der Wasseroberfläche, lauerten die Moldawars, bereit zum Sprung, begierig, sich ihre Beute aus der Luft zu schnappen. Zum Glück hatte ich es unterlassen, Kallahan davon in Kenntnis zu setzen, dass ein ausgewachsener Moldawar in seiner Fresslust keine Mühe hatte, sich dreißig Fuß hoch und mehr aus dem Wasser zu katapultieren.
    Mein Reisegefährte hatte rasch die Orientierung verloren. Weder wusste er, wo oben, noch, wo unten war. Der Sturm spielte mit ihm, trieb ihn nach Belieben wie eine leblose Puppe vor sich her. Verzweifelt versuchte er gegen die Wolken anzukämpfen, die an seinen Kleidern zerrten, als wollten sie ihm diese entreißen und ihm seine Hilflosigkeit aufzeigen, indem sie ihn entblößten. Die nachlassende Konzentration war ihm bald anzumerken und er drohte abzustürzen. Mir blieb wenig Zeit, zu handeln, wollte ich das Schlimmste verhindern.
    ›Kanasame son‹, rief ich die Dunkelheit zu Hilfe.
    Der Wind ließ von Kallahan ab und schlug mir sofort mit voller Wucht entgegen, als wollte er mich mit aller Macht ans Festland zurückwerfen. Aber die Wolken gehorchten, als siedie Worte vernahmen; ein Befehl, dem sie nicht widerstehen konnten. Meine Lippen zu einer Art Trichter geformt, sog ich die Dunkelheit ein. Wolke für Wolke und mit ihnen der sie vor sich hertreibende Sturm. Schwärze drang in

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