Kryson 06 - Tag und Nacht
die Reise treffen. Wir nehmen mit, was wir tragen können. Auch das Buch der Macht. Bring die Ernte rechtzeitig ein und bereite Heiltränke vor, so viel du kannst. Dann wirst du unsere Candalleenzucht schützen, indem du Zäune und eine Bewässerungsanlage baust.«
»Sonst noch was?«, widersetzte sich Kaschta den Anweisungen. »Wie soll ich das denn machen?«
»Lass dir was einfallen«, keifte Sapius, »außerdem rate ich dir, Abschied von deiner Familie und deiner Liebsten zu nehmen. Es wäre möglich, dass du sie lange nicht mehr wiedersehen wirst.«
»Wie lange?« Kaschta war plötzlich blass um die Nase geworden.
Sapius sah Tarratar Hilfe suchend an. Doch dieser zuckte nur ratlos mit den Schultern. Sie wussten es nicht. Der Magier wollte seinem Schüler nichts vormachen.
»Vielleicht niemals wieder«, sagte Sapius.
»Aber … aber, das geht nicht«, flehte Kaschta, sichtlich um Fassung bemüht und den Tränen nahe, »ich kann sie nicht einfach hier zurücklassen. Ich komme nicht mit.«
»O doch«, antwortete Sapius, »du wirst mitkommen. Ich brauche dich auf Ell.«
»Das ist doch Wahnsinn«, rief Kaschta aus, »du hast mir nie etwas über den anderen Kontinent und die Vergangenheit erzählt. Was ist so wichtig daran, dass wir dorthin aufbrechen müssen?«
»Kryson und das Gleichgewicht«, schaltete sich Tarratar ein, »du wirst lernen müssen, dass es weit wichtigere Dinge auf der Welt gibt als das Schicksal und Wohlergehen eines Einzelnen. Dein eigenes Schicksal eingeschlossen. Sieh dir deinen Lehrer an. Er ist der lebende Beweis des persönlichen Verzichts.«
»Ich weiß im Grunde nichts über Sapius«, sagte Kaschta.
»Dann soll er es dir erzählen. Du hast alles Recht dazu, mehr über deinen Meister zu erfahren«, nickte Tarratar.
»Das ist aber eine lange Geschichte«, gab Sapius zu bedenken, »dafür fehlt uns jetzt die Zeit. Vielleicht ein anderes Mal.«
»Das sagst du jedes Mal, sobald ich dich danach frage«, zeigte sich Kaschta beleidigt.
»Ich verspreche, dass ich dir die Geschichte eines Tages erzählen werde«, meinte Sapius.
»Gut«, stimmte Kaschta zu, »aber warte nicht zu lange damit.«
Die weite Reise über den Kontinent Fee war für Sapius immer wieder aufs Neue spannend. Ein Abenteuer, das ihn für ein paar Monde aus der Einsamkeit riss. Er freute sich darauf, nach langer Zeit die Drachen wiederzusehen. Auf dem Rücken seines Flugdrachen ging die Reise zügig voran.
»Ob sie sich noch an mich erinnern«
, ging ihm plötzlich ein Gedanke durch den Kopf, der ihn erschreckte.
»Natürlich erinnern sie sich an dich«
, meldete sich Haffak Gas Vadar zu Wort,
»du hast sie mehr als sechstausend Sonnenwenden lang angeführt. Als du gingst, haben
sie dich in Stein gemeißelt.«
»Dennoch scheint es mir eine Ewigkeit her zu sein, seit ich die Tartyk zuletzt gesehen habe.«
»Ist es auch«
, stimmte Haffak Gas Vadar zu,
»aber weder die Drachen noch die Tartyk werden jemals vergessen, was du für sie getan hast. Selbst wenn du und ich eines Tages sterben oder fern der Heimat Fees verweilen sollten, werden wir immer in den Erinnerungen der Drachen sein und auf diese Weise unsterblich werden.«
»Ein beruhigender Gedanke«
, meinte Sapius.
Der Anblick der Drachentürme war atemberaubend. Hunderte von Drachen kreisten über der Stadt. Vielleicht Tausende. Als er die Tartyk verlassen hatte, waren es noch nicht so viele gewesen. Sapius ging das Herz auf, als er die Türme in der Ferne erblickte. Er hielt den Atem an und krallte sich mit den Händen an einer Schuppe auf dem Rücken des Drachen fest.
»Hey, nicht so heftig«
, beschwerte sich Haffak Gas Vadar,
»das tut doch weh! Ich kann deine Erregung ja verstehen, aber ich bin ein sehr sensibler Drache. Du fällst schon nicht von meinem Rücken.«
»Oh … tut mir leid«
, entschuldigte sich Sapius,
»… ich war einfach überwältigt vom Anblick der Stadt. Ich kann das brodelnde Leben unter uns geradezu spüren. Die Stadt ist noch gewachsen und weit mehr erblüht, als ich dachte. Aber ich wundere mich, dass du meinen Griff überhaupt spürst. Muss ich mir Sorgen um deine Gesundheit machen?«
»Das war ein Scherz, Sapius«
, lachte der Drache,
»natürlich spüre ich deine Hand an meinen Schuppen. Aber keine Sorge, das ist nicht mehr als ein leichtes Kitzeln.«
»Vielleicht können wir einige Drachen überzeugen, uns nach Ell zu begleiten, was denkst du?«
, fragte Sapius den Drachen.
»Gewiss«
, meinte Haffak Gas Vadar,
»ich
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