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Kuehe essen Wiese auf

Kuehe essen Wiese auf

Titel: Kuehe essen Wiese auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosi Fellner , Margit Schoenberger
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konnte auch mal zwei, drei Tage warten.
    Trotz dieser umständlichen, badezimmerlosen Waschsitten waren wir nicht schmutziger als heutige Kinder. Das wüsste ich, weil mich schon die kleinste Unregelmäßigkeitin dieser Hinsicht irritierte. Ich kann das unangenehme Gefühl von klebrigem Honig an meinen kleinen Händen – und die sofort hysterisch gespreizten Finger – noch heute geradezu körperlich spüren. Ich gab auch keine Ruhe, bis Großmutter mit einem feuchten Waschlappen alles wieder sauber gerieben hatte.
    Den Gipfel des Ekels aber verursachte bei mir der Hühnerdreck. Wir Kinder liefen im Sommer auf dem Hof natürlich ständig barfuß. Und überall waren Hühner – außer im Gemüsegarten. Der war ihretwegen eingezäunt. Sie hätten die jungen Salatpflänzchen und Kräuter zerpickt und auf Würmersuche alles aufgescharrt. Wenn ich das Gartentor einmal aufließ, nachdem ich Petersilie oder Schnittlauch für Großmutter hatte holen dürfen, wurde ich ausgeschimpft. Denn schwupps, so schnell konnte man gar nicht schauen, waren zwei, drei Hühner drin. Großmutter jagte sie dann auf ihren Holzschuhen, laut in die Hände klatschend und seltsame Zischlaute von sich gebend, wieder zum »Tempel« hinaus, wie sie den Gemüsegarten nannte. Außer in diesem kleinen abgezäunten Paradies rannten die Hühner überall so frei herum wie wir Kinder. Und ließen dabei ihren Dreck fallen. Ich hatte das Talent, mehrmals am Tag eine solche Spur zu kreuzen. Dann quoll diese höchst übel riechende Hinterlassenschaft zwischen den kleinen Kinderzehen hervor, so unangenehm und ekelerregend, dass ich es heute noch spüre, woraufhin ich mitten im Lauf stoppte und jammernd zu Großmutter humpelte. Die lachte, zeigte mir, wie ein Breitwegerichblatt aussieht, und entfernte damit die gröbste Bescherung. Den Rest besorgte der starke Wasserstrahl, der aus der eisernen Hofpumpe kam. Danach stakste ich eine Weile in den viel zu großen Holzschuhen der Erwachsenen herum, die immer in großer Anzahl vor der Haustür standen. Da ich damit aber nur mühsam schlurfend und wackelnd vom Fleck kam, ließ ich es bald wieder sein.
    Ein Tageshöhepunkt war, wenn Großmutter mir erlaubte, die Eier aus den Strohnestern im Hühnerstall zu nehmen und unter der Ermahnung, nur ja keines fallen zu lassen, in ihre Strohschüssel zu legen. Einmal war ich auch dabei, als sie Eier in einem großen Glasgefäß in Kalkwasser einlegte. Damit man sie für den Winter aufheben kann, wenn die Hühner nicht mehr so fleißig Eier legen.
    Hühner waren auch lustig anzuschauen. Ich habe sie lange und gern beobachtet, wenn sie, bedächtig ein Bein vor das andere setzend, ums Haus stolzierten. Manchmal verharrte ein Hühnerbein plötzlich hochgezogen in der Luft, so als hätte man das Tier gerufen und dadurch mitten im Bewegungsablauf gestört. Sie pickten dahin und dorthin und man konnte gar nicht erkennen, was sie da – mit dem Kopf hektisch nach vorn und wieder zurückzuckend – für eine Sorte Futter gefunden hatten. Wenn man ein einzelnes Huhn ansprach – und ich redete oft mit den Hühnern – legten sie den Kopf schief und sahen einen mit dem zugewandten Auge derart intensiv an, als hörten sie genau zu.
    So waren die Hühner und ich trotz des Hühnerdrecks längst gute Freunde geworden, bis Großvater dieses Verhältnis nachhaltig zerstörte. Hin und wieder schnappte er sich ein Huhn fast wie im Vorbeigehen und trug es kopfüber, die Hühnerbeine fest im Griff, zum Holzhackstock. Das Tier flatterte wild mit den Flügeln und gackerte aufgeregt. Das Beil musste wohl schon bereitgelegen haben, denn ich sah nur noch, wie Großvater den Arm hob und senkte und dann war das Huhn still.
    Großmutter kam dann mit zwei Eimern dazu. In den einen legte Großvater das Huhn und setzte sich damit auf die Bank vor dem Haus. Aus dem anderen Eimer stieg Dampf auf und Großmutter leerte das heiße Wasser über das Huhn zu Großvaters Füßen. Dann lachte sie mir zu und kündigte fürs Abendessen Nudelsuppe an. Mir war nicht ganz geheuer bei der Sache, als ich Großvater aus gehörigem Abstand Federn rupfen sah, und glaube mich heute an so etwas Ähnliches wie ein schlechtes Gewissen zu erinnern. Ich tröstete mich wohl damit, dass die davongekommenen Hühner gleichmütig ihrer Wege gingen und nicht den Eindruck machten, als würden sie um ihre Artgenossin trauern. Aus Großvaters Hühnereimer drang ein derart widerlicher Geruch zu mir, sodass ich mich still und leise zu

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