Kuess Mich, Highlander
durch Schottland, unter einem fast vollen Mond über Kämme und durch schattige Täler, und der donnernde Hufschlag von über einhundert Pferden, die Lasten und muskulöse Männer trugen, war ohrenbetäubend. Der Boden erbebte, als sie die Hügel entlanggaloppierten. Trotz des dicken Plaids über ihrem Gewand frierend, betrachtete Lisa ehrfurchtsvoll die Meilen unberührten, offenen Geländes. Obwohl ihr Körper bereits nach wenigen Stunden Ritt schmerzte, wäre sie bereitwillig die ganze Nacht hindurch geritten, um den unbegrenzten Ausblick zu genießen.
Am nächsten Morgen war sie jedoch völlig anderer Meinung und wäre überhaupt nicht weitergeritten, wenn es in ihrem Ermessen gelegen hätte. Sie hatte anmaßenderweise geglaubt, in guter Verfassung zu sein, aber ein Pferd zu reiten unterschied sich doch sehr vom Klettern und Bodenakrobatik, und sie erkannte rasch, dass ihr Sporttraining sie tatsächlich besser darauf eingestimmt hatte, richtig vom Pferd zu fallen als einigermaßen kunstfertig darauf sitzen zu bleiben.
Das zweite, was ihr in Erinnerung bleiben würde, war die Tatsache, dass Circenn Brodie, der den ganzen Weg neben ihr ritt, nicht redete, sondern jede ihrer Bewegungen und jeden ihrer Gesichtsausdrücke beobachtete. Sie verbarg ihr Unbehagen gut, entschlossen, dem unermüdlichen Krieger gegenüber keinerlei Schwäche zu zeigen. Seit sie Dunnottar verlassen hatten, hatte der Mann ihr gegenüber kaum zwei Worte geäußert und sie nicht einmal berührt, um ihr beim Absteigen zu helfen. Sie erkannte, dass es in ihm brodelte. Nur gelegentlich wich er von ihrer Seite, um leise mit seinen Männern zu reden.
In jedem Dorf, durch das sie kamen, bemerkte sie, dass die Menschen Circenn geziemend wie einen Mann königlicher Abkunft behandelten, und er zeigte königliche Zurückhaltung. Wenn er ein wenig entrückt wirkte, schien es keiner der Dorfbewohner zu merken. Kinder sahen ihn ehrfurchtsvoll an, alte Männer schlugen ihm auf die Schultern und lächelten stolz und die Blicke junger Krieger folgten ihm bewundernd. Es war eindeutig, dass der Mann in seiner Zeit eine Legende war. Mit jedem bewundernden, koketten Blick, den ihm eine Frau unter gesenkten Lidern hervor zuwarf, spürte Lisa mehr Verärgerung aufkommen. In mehr als einem Dorf fanden Frauen einen Grund, sich ihm zu nähern und ihn fortzulocken, um »eine höchst private Angelegenheit zu erörtern, Mylord«. Sie war erleichtert zu sehen, dass keine Erfolg hatte. Wie dem auch sei - sie war sich nicht sicher, ob es deshalb war, weil er wirklich kein Interesse hatte oder weil sie so schnell voranritten. Sie schliefen nachts selten mehr als wenige Stunden, aber Lisa war durch ihre zwei Jobs an unzureichenden Schlaf gewöhnt.
Das dritte, was ihre Gedanken belastete, war die Phiole, von der sie nun wusste, dass Circenn sie bei sich trug, weil sie eines Abends einen flüchtigen Blick darauf erhaschte, als er seine Tasche durchforstete. Leider hatte er einen so leichten Schlaf, dass es ein zu großes Risiko bedeutet hätte zu versuchen, die Phiole dann an sich zu nehmen. Es war besser, abzuwarten und auf den richtigen Moment zu warten.
Die letzte Nacht ihres Rittes würde ihr jedoch am stärksten in Erinnerung bleiben - die Nacht, in der sie sich der Umgebung der Burg Brodie näherten. Die ganze körperlich zermürbende Reise über hatte sich Lisa Sorgen um Catherine gemacht und sich gefragt, wer sich um sie kümmerte, wobei sie im Schutz der Dunkelheit leise geweint hatte. Währenddessen drang ihr Schottland unmerklich ins Blut und trotz ihrer Angst und Hilflosigkeit erkannte sie, dass sie sich gerade verliebte.
In ein Land.
Es war noch zu früh, als dass im Hochland der Frühling ausgebrochen wäre, aber sie konnte spüren, dass die brach liegende Erde darauf wartete zu erblühen. Obwohl sie wusste, dass sie eine Möglichkeit finden musste, nach Hause zurückzukehren, sehnte sich ein Teil von ihr danach, ausreichend lange in der Vergangenheit zu verweilen, um die Täler von Heidekraut erfüllt, die goldenen Adler über die Berge fliegen und den Teppich aus Farnkraut und Gestrüpp im Frühjahr aufblühen zu sehen.
In der letzten Nacht ihrer Reise erwärmte sich das Wetter ein wenig. Auf Grund der Erschöpfung brodelten ihre Gefühle gefährlich nahe unter der Oberfläche und während der letzten wenigen Stunden war ihre Euphorie über die Schönheit der Hochlandnacht äußerstem Entsetzen darüber gewichen, was ihr die Zukunft bringen mochte. Lisa
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