Kuess mich, und ich bin verloren
Hoffnung zerfiel zu Staub. Nur der Gedanke an ein Kind bewahrte sie davor, verrückt zu werden.
Erst als sie schwanger wurde, konnte sie sich wieder daran freuen, am Leben teilzuhaben. Es war zwar nicht das Leben mit Brand, das sie sich einst ausgemalt hatte. Und doch war es besser als die Hoffnungslosigkeit, die sie vorher fest im Griff gehalten hatte.
Wie konnte Brand sich nur vor sie hinstellen und behaupten, sie habe ihn leichtfertig vergessen? Er sollte sie in die Arme nehmen – stattdessen verhielt er sich wie der größte Idiot der Welt. Vermutlich war er nicht dazu bereit, ihren Erklärungen auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Clea schüttelte den Kopf und legte sich schützend die Hände vor den Bauch.
Brand lachte auf, so schroff, wie sie es nicht von ihm kannte. „Hast du mir noch irgendetwas zu sagen? Dir wäre es sicher lieber gewesen, wenn ich nicht wieder aufgetaucht wäre!“ Seine Augen blitzten eiskalt auf.
Clea saß zusammengesunken auf dem Sessel, alles schmerzte ihr. Ihre Füße. Ihr Kopf. Ihr Herz. Ob Brand den gleichen Schmerz spürte wie sie? „Ich kann es dir erklären …“, versuchte sie es erneut.
Angriffslustig erwiderte Brand: „Du musst mir nichts erklären!“ Er reckte sich zu seiner vollen Größe von fast 1,90 Meter auf und schaute zu ihr hinab, mit einem Blick, der das Blut in Cleas Adern gefrieren ließ. „Jeder Blinde sieht doch, was geschehen ist.“ Sein Mund verzog sich zu einer Grimasse. „Also, wer ist der Glückliche?“
„Kannst du mir nicht erst einmal zuhören?“, fragte Clea mit erhobener Stimme. Sie holte Luft, dann fuhr sie leiser fort: „Haben wir nicht immer davon gesprochen, einmal eine Familie zu gründen?“
„Ja, ich wollte mir dir eine Familie gründen“, meinte er und musterte ihren Bauch. Schützend legte Clea die Hände auf den Satinstoff ihres Designerkleids. „Aber nicht mit dem Kind irgendeines anderen Mannes.“
„Brand, warte!“
Clea stand auf, die Hände nach ihm ausgestreckt. Als sie seinen kalten Blick sah, ließ sie die Hände sinken. „Bitte, hör mir doch zu!“
„Warum sollte ich dir noch zuhören?“ Sie erkannte die Verachtung in seinem Blick, aber gleichzeitig sah sie noch etwas anderes. Enttäuschung?
Dass er ihr nicht vertraute, traf sie tief. Warum gab er ihr nicht wenigstens die Gelegenheit, alles zu erklären? Vielleicht, so hoffte sie, würde er es, sobald er sich beruhigte. Denn auch wenn manche Brand für unberechenbar hielten, so liebte er sie doch.
Oder etwa nicht?
Der Schatten eines Zweifels befiel Clea. Die ganze Zeit war sie überzeugt gewesen, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste und er deswegen verschwunden war. Ein furchtbarer Unfall. Ein Gedächtnisverlust. Ein Trauma, das ihn so sehr erschüttert hatte, dass sie ihn in dem Zustand nicht sehen sollte.
Aber jetzt stand er hier, als atemberaubende Erscheinung im Smoking, offenbar in noch besserer körperlicher Verfassung als vor vier Jahren. Sein Gesicht war braun gebrannt, wodurch sich seine meerblauen Augen wunderbar abhoben. Ihn umgab eine Aura der Furchtlosigkeit, bei der sich ihr Herzschlag beschleunigte.
Ohne den Blick von ihm zu lösen, streifte sie die Schuhe ab, wodurch sie noch einmal um einige Zentimeter kleiner war als er. „Warum hast du mir eigentlich nicht erzählt, dass du nach Bagdad fahren wolltest?“, fragte sie herausfordernd.
Brand sah sie nur unbewegt an.
Ob auch Anita Freemans Herz schneller schlug, wenn er sie so ansah? „Antworte mir!“
Er reagierte nicht, sondern schaute sie nur weiter an, ohne auch nur zu blinzeln.
„Ich habe auf dich gewartet …“
Ironisch zog er eine Braue nach oben. „Gewartet?“
„Ja! Gewartet!“ Clea wischte sich eine Locke aus dem Gesicht. „Als wir uns das letzte Mal richtig unterhalten haben, warst du in London, im Begriff nach Griechenland aufzubrechen. Deswegen haben wir uns gestritten, wie du dich vielleicht erinnerst.“ Sie hatte damals einige Termine verlegen wollen, um mit ihm zu fahren, doch er hatte sie abgewiesen und einfach bestimmt, dass sie zu Hause bleiben sollte. So abgefertigt zu werden, hatte Clea schwer getroffen. Nicht zum ersten Mal bestimmte Brand über sie, ohne auf ihre Wünsche einzugehen. Danach rief er sie noch einmal aus Athen an, aber das Gespräch war nur kurz. Bevor er auflegte, sagte er noch, dass er sie liebe.
Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
Als er weiterhin stumm vor ihr stand, sagte sie: „Du hast mir
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