Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)
Foster in die Halle trat. Er blieb einen Moment stehen, den Blick auf seine Frau gerichtet, und auch sie sah ihn an, den kleinen, noch immer hübschen alten Mann, dessen Gesicht mit dem gewaltigen Bart den bekannten Fotografien von Andrew Carnegie verblüffend ähnelte.
«Nun», sagte er, «ich glaube, wir sollten wohl langsam aufbrechen, wenn du das Flugzeug noch erreichen willst.»
«Ja, Lieber – ja! Es ist alles bereit. Der Wagen wartet.»
«Gut.» Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und musterte sie aufmerksam. Diese Angewohnheit, den Kopf schräg zu legen und ihn dann in kleinen, schnellen Rucken zu bewegen, war charakteristisch für ihn. Deswegen und weil er die Hände in Brusthöhe zu verschränken pflegte, erinnerte er, wenn er so dastand, an ein Eichhörnchen, ein nettes, lebhaftes Eichhörnchen aus dem Park.
«Hier ist Walker mit deinem Mantel, Lieber. Zieh ihn an.»
«Ich muss mir noch die Hände waschen», sagte er. «Bin gleich zurück.»
Sie wartete, während der Butler Hut und Mantel bereithielt.
«Meinen Sie, dass ich zu spät komme, Walker?»
«Nein, Madam», erwiderte der Butler, «Sie schaffen es bestimmt.»
Als Mr. Foster erschien, half ihm der Butler in den Mantel. Mrs. Foster eilte hinaus und stieg in den gemieteten Cadillac. Ihr Mann folgte ihr, ging aber die Stufen vor der Haustür sehr gemächlich hinunter und blieb auf halbem Wege stehen, um den Himmel zu betrachten und die kalte Morgenluft zu schnuppern.
«Sieht ein bisschen neblig aus», meinte er, als er sich im Wagen neben sie setzte. «Und draußen in Idlewild ist es meistens noch schlimmer. Ich würde mich nicht wundern, wenn gar keine Flugzeuge starten dürften.»
«Sag das nicht, Lieber – bitte .»
Sie schwiegen beide, bis der Wagen den Fluss überquert und Long Island erreicht hatte.
«Mit den Dienstboten habe ich alles geordnet», sagte Mr. Foster. «Sie gehen heute weg. Ich habe ihnen für sechs Wochen den halben Lohn gegeben und Walker gesagt, dass ich ihm telegraphieren werde, wenn wir sie wieder benötigen.»
«Ja», antwortete sie. «Er hat’s mir erzählt.»
«Ich ziehe heute Abend in den Club. Wird zur Abwechslung mal ganz nett sein, im Club zu wohnen.»
«Ja, Lieber, und ich werde dir schreiben.»
«Ab und zu schaue ich dann zu Hause nach, ob alles in Ordnung ist, und hole die Post.»
«Meinst du nicht, dass Walker doch lieber die ganze Zeit dableiben sollte, um nach dem Rechten zu sehen?», fragte sie zaghaft.
«Unsinn. Ganz überflüssig. Und ich müsste ihm dann den vollen Lohn zahlen.»
«Ach ja, natürlich.»
«Außerdem weiß man nie, was die Leute anstellen, wenn sie allein im Hause sind», verkündete Mr. Foster. Er zog eine Zigarre heraus, knipste die Spitze mit einem silbernen Zigarrenabschneider ab und ließ sein goldenes Feuerzeug aufflammen.
Seine Frau saß regungslos neben ihm, die Hände unter der Decke zusammengekrampft.
«Wirst du mir schreiben?», fragte sie.
«Mal sehen», antwortete er. «Ich glaub’s aber nicht. Du weißt, ich schreibe nicht gern Briefe, wenn nichts Besonderes mitzuteilen ist.»
«Ja, Lieber, ich weiß. Mach’s, wie du willst.»
Sie fuhren weiter, den Queens Boulevard entlang, und als sie sich dem flachen Marschland näherten, auf dem Idlewild erbaut ist, wurde der Nebel dichter, und der Wagen musste das Tempo verlangsamen.
«Oh!», rief Mrs. Foster. «Jetzt werde ich das Flugzeug bestimmt verpassen! Wie spät ist es?»
«Reg dich nicht auf», sagte der alte Mann. «Ob du zur Zeit kommst oder nicht, spielt gar keine Rolle. Das Flugzeug kann ohnehin nicht starten. Bei solchem Wetter fliegen sie nie. Ich begreife nicht, warum du überhaupt losgefahren bist.»
Täuschte sie sich, oder hatte seine Stimme plötzlich einen neuen Klang? Sie wandte sich ihm zu. Die vielen Haare machten es schwierig, eine Veränderung in seinem Gesichtsausdruck wahrzunehmen. Das wichtigste war der Mund. Wie schon so oft, wünschte sie sich, ihn deutlich sehen zu können. Seine Augen verrieten nie etwas, ausgenommen, wenn er zornig war.
«Natürlich», fuhr er fort, «falls das Flugzeug zufällig doch startet, kommst du zu spät – darin muss ich dir zustimmen. Wäre es nicht besser, gleich umzukehren?»
Sie antwortete nicht und schaute durch das Fenster nach dem Nebel. Je weiter sie kamen, desto dichter schien er zu werden; sie konnte gerade den Straßenrand erkennen und ein wenig Grasland. Sie spürte, dass ihr Mann sie noch immer beobachtete. Auch sie
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