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Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Titel: Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Pfefferminzbonbons, die er lutschte, um für seine Patienten reinen Atem zu haben.
    «Sieh mal, was ich gekauft habe, um den Vermouth abzumessen», sagte er und hielt einen Glasbecher mit eingravierter Skala hoch. «Damit kann ich das Quantum auf ein Milligramm genau bestimmen.»
    «Wie hübsch, Liebling.»
    Ich muss ihn dazu bringen, sich anders zu kleiden, sagte sie sich. Noch nie habe ich so etwas Lächerliches gesehen wie seine Anzüge. Früher hatte sie diese Jacketts mit den sechs Knöpfen und den breiten Aufschlägen schön gefunden, aber jetzt kamen sie ihr albern vor. Um so etwas zu tragen, musste man eine besondere Art von Gesicht haben, und eben das hatte Cyril nicht. Sein Schädel war lang, die Nase sehr schmal, das spitze Kinn sprang ein wenig vor, und über dem enganliegenden, altmodischen Jackett wirkte dieser Kopf wie eine Karikatur von Sam Weller. Cyril selbst schien sich allerdings für einen zweiten Beau Brummel zu halten. Wenn er in seinem Sprechzimmer Patientinnen empfing, trug er den weißen Kittel unweigerlich offen, damit die Aufmachung darunter zur Geltung kam; allem Anschein nach hoffte er auf diese Weise den Eindruck zu erwecken, er sei kein ganz ungefährlicher Mann. Mrs.   Bixby aber wusste das besser. Das Gefieder war ein Bluff, es hatte nichts zu bedeuten. Sie musste immer an einen alternden Pfau denken, der über den Rasen stolziert und nur noch die Hälfte seiner Federn hat. Oder an eine dieser dummen, sich selbst befruchtenden Blumen – an Löwenzahn zum Beispiel. Löwenzahn braucht nicht befruchtet zu werden, damit er seinen Samen aussät, und all die schönen gelben Blumenblätter sind nur Zeitverschwendung, Prahlerei, Maskerade. Wie nennen es doch gleich die Biologen? Subsexuell. Löwenzahn ist subsexuell. Die Sommerbrut der Wasserflöhe übrigens auch. Wasserflöhe, Löwenzahn, Zahnärzte – das klingt ein bisschen nach Lewis Carroll, dachte Mrs.   Bixby.
    «Danke, Liebling», sagte sie, nahm den Martini und setzte sich auf das Sofa, ohne ihre Handtasche loszulassen. «Und was hast du gestern Abend gemacht?»
    «Ich bin in der Praxis geblieben, habe ein paar Prothesen gegossen und dann meine Bücher in Ordnung gebracht.»
    «Wirklich, Cyril, es ist höchste Zeit, dass du solche Arbeiten anderen Leuten überlässt. Für so etwas bist du viel zu schade. Warum gibst du die Prothesen nicht zum Techniker?»
    «Ich mache sie lieber selbst. Du weißt, dass ich sehr stolz auf sie bin.»
    «Natürlich, Liebling, sie sind ja auch Meisterwerke. Die besten Prothesen der Welt. Aber ich möchte nicht, dass du dich überanstrengst. Warum lässt du nicht deine Miss Pulteney die Rechnungen schreiben? Das gehört doch zu ihrer Arbeit, nicht wahr?»
    «Sie schreibt sie ja auch. Aber zuerst muss ich die Preise festsetzen, denn sie weiß nicht, wer reich ist und wer nicht.»
    «Der Martini ist ausgezeichnet», sagte Mrs.   Bixby und stellte das Glas auf den Tisch. «Ganz ausgezeichnet.» Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein Taschentuch heraus, als wollte sie sich die Nase putzen. «Ach, sieh mal!», rief sie beim Anblick des Pfandscheins. «Das hätte ich ja beinahe vergessen. Diesen Schein habe ich vorhin im Taxi auf dem Sitz gefunden. Es steht eine Nummer darauf, und ich habe ihn mitgenommen, weil ich dachte, es wäre vielleicht ein Lotterielos oder so etwas.»
    Mr.   Bixby nahm das braune Stück Papier, das sie ihm reichte, und betrachtete es eingehend von allen Seiten, so genau, als handle es sich um einen kranken Zahn.
    «Weißt du, was das ist?», fragte er langsam.
    «Nein, Liebling.»
    «Ein Pfandschein.»
    «Ein was?»
    «Ein Schein von einem Pfandleiher. Hier stehen Name und Adresse der Firma – irgendwo in der Sixth Avenue.»
    «Ach herrje, da bin ich aber enttäuscht. Ich habe doch so sehr gehofft, es wäre etwas, worauf man Geld gewinnen könnte.»
    «Kein Grund, enttäuscht zu sein», meinte Cyril Bixby. «Vielleicht wird die Sache sogar ganz amüsant.»
    «Wieso amüsant, Liebling?»
    Er erklärte ihr, was es mit Pfandscheinen auf sich habe, und hob hervor, dass der Überbringer des Scheins den Gegenstand ohne weiteres auslösen könne. Mrs.   Bixby hörte geduldig zu, bis er seinen Vortrag beendet hatte.
    «Glaubst du, dass sich die Auslösung lohnt?», fragte sie dann.
    «Auf jeden Fall lohnt es sich festzustellen, was es ist. Siehst du – da steht fünfzig Dollar. Weißt du, was das bedeutet?»
    «Nein, was denn?»
    «Es bedeutet, dass der betreffende Gegenstand

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