Berger, Frederik - Die Geliebte des Papstes
PROLOG
»Es war Liebe auf den ersten Blick«, sagte Fürst del Drago, als er mich in die Loggia seines Palazzos in Bolsena führte. Wir standen vor dem Bildnis einer vornehm gekleideten jungen Frau, die mir ernst, forschend, abwartend in die Augen schaute und mich sofort fesselte. »Als ich dieses Porträt sah«, erklärte er, »wußte ich, daß ich den kleinen Palazzo hier kaufen mußte und alles, was dazu gehörte. Die Isola Bisentina dort im See, den gesamten Nachlaß der Familie Crispo, Möbel, die nur noch für die Müllkippe taugten, ein paar schöne Bilder, von Motten zerfressene Brokatkleider und Kardinalsroben, auch einige alte Dokumente.«
Er führte mich zu der Fensterfront, von der wir einen weiten Blick auf den im Gegenlicht liegenden See hatten. »Schauen Sie. Dort hinten liegt ihre Schicksalsinsel.«
»Sie sprechen von Silvia Ruffini, nicht wahr?« fragte ich.
Bei meinen Nachforschungen, die mich durch die farnesischen Burgen des nördlichen Latium, durch einige verstaubte Bibliotheken und zum Schluß auch in die Vorzimmer des vatikanischen Geheimarchivs geführt hatten, war ich auf allerlei Material der Familie Farnese gestoßen, allerdings noch nie auf ein Bildnis der Frau, die mich beschäftigte, seitdem ich etwas über die ungewöhnliche und abenteuerliche Jugend von Papst Paul III. erfahren hatte.
»Sie kennen sie«, erklärte Fürst del Drago.
»Wen?«
»Sie kennen Silvia Ruffini. Jeder, der nach Rom pilgert, kennt sie. Nur: Keiner weiß es. Noch nicht einmal die Kunsthistoriker wollen es wahrhaben.« Er lachte abschätzig und führte mich wieder zurück zu dem kunstvoll in die Holzvertäfelung eingefügten Bild. Forschend schaute er mich an. »Auch Sie fangen Feuer, das sehe ich.«
»Nun, Silvia Ruffini interessiert mich sehr.«
Fürst del Drago machte eine Handbewegung, als wollte er das Bild streicheln. »Ich lebe mit ihr. Ich liebe sie wie meine eigene Mutter. Ich liebe sie, wie Tiberio Crispo sie geliebt haben muß oder vielleicht auch Pierluigi Farnese, ihr schwuler Sohn.«
Ich trat einen Schritt zurück.
»Aber war Pierluigi Farnese nicht verheiratet und hatte fünf Kinder?«
Fürst del Drago lachte über soviel Naivität.
»War nicht auch Alessandro Farnese Kardinal, später sogar Papst und hatte trotzdem vier Kinder?«
»Das ist richtig.«
Während ich von neuem das Porträt studierte, um mich dem Wesen dieser schönen und geheimnisvollen Signora zu nähern, beobachtete mich Fürst del Drago.
»Und Sie interessieren sich wirklich für Silvia Ruffini?«
»Ich sagte es bereits.«
»Sie wollen ein Buch über sie schreiben.« »Wenn ich genügend Material finde.«
»Ha!« Fürst del Drago bewegte sich behende zu einem wurmstichigen Schreibpult und fingerte einen Schlüssel aus seiner Weste. Der Fürst sah aus, als wäre er einem der späten Filme von Visconti entsprungen. Die Haare waren streng gescheitelt, die blaßfarbenen Augen lagen tief in den Höhlen, ein Menjoubärtchen zierte seine Oberlippe, und sein Anzug schimmerte in einem cremigen Weiß.
Er hatte inzwischen die Pultplatte geöffnet. »Hier!« sagte er nicht ohne Nonchalance. »Hier liegt alles, was Sie brauchen, Briefe, alte Urkunden, sogar der Beginn einer handgeschriebenen Autobiographie von Silvia Ruffini. Natürlich sind das alles nur Kopien, die Originale liegen in meinem Banksafe. Ich sehe Ihre Augen leuchten. Ja, dies ist ein Schatz. Daraus können Sie einen Roman stricken und müssen noch nicht einmal viel erfinden. Das eine oder andere Detail vielleicht.« Er lachte mit heller Stimme.
»Und Sie würden mir die Papiere zur Einsicht überlassen?« fragte ich ohne Umschweife.
Nun sah er mich spöttisch an. »Warum nicht? Aber ich warne Sie. Ein Großteil soll gefälscht sein. Dies haben mir die Herren Archivare des Vatikans erklärt und zum Beweis eine chemische Analyse des Papiers sowie das Gutachten eines Graphologen vorgelegt. ›Außerdem hat Papst Paul III. weder eine Vergewaltigung noch gar einen Mord begangen, wie manche der angeblichen Dokumente nahelegen‹, erklärten sie. ›Bekanntlich gibt es eine umfängliche Rufmordliteratur über ihn. Sie begann schon mit Luther, der dem Papst Sodomie und inzestuöses Verhalten nachsagte. Die Familie Crispo scheint fleißig Material über ihn gesammelt zu haben. Darauf darf man nicht hereinfallen.‹ Ich wurde also durchaus überzeugend über den historischen Wert dieser Unterlagen aufgeklärt.«
Fürst del Dragos Stimme klang auffallend ironisch.
Er
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