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Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Titel: Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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heraus. Bei einem so kleinen Jungen waren diese Fähigkeiten etwas verwirrend, und Tante Glosspan wusste offen gestanden nicht recht, was sie daraus machen sollte. Trotzdem war sie über die Maßen stolz auf das Kind und prophezeite ihm eine glänzende Zukunft.
    «Was für ein Segen», sagte sie, «dass ich einen so entzückenden kleinen Gefährten habe, der mir in meinem hohen Alter zur Seite steht.»
    Nach ein paar Jahren zog sie sich endgültig aus der Küche zurück und überließ Lexington die Sorge für sämtliche Mahlzeiten. Der Junge war nun zehn Jahre alt und Tante Glosspan fast achtzig.

V
    Als Alleinherrscher in der Küche begann Lexington sofort zu experimentieren. Die alten Lieblingsgerichte interessierten ihn nicht mehr. Ein heftiger Drang zum Schöpferischen beseelte ihn; er hatte Hunderte von neuen Ideen im Kopf. «Ich will damit anfangen, ein Kastaniensoufflé zu erfinden», sagte er, ging an die Arbeit und brachte das Soufflé an demselben Abend auf den Tisch. Es war fabelhaft. «Du bist ein Genie!», rief Tante Glosspan, erhob sich von ihrem Stuhl und küsste ihn auf beide Wangen. «Du wirst Geschichte machen!»
    Von nun an verstrich kaum ein Tag, ohne dass er eine leckere neue Schöpfung serviert hätte. Er bereitete Paranuss-Suppe, Maiskotelett, Gemüseragout, Löwenzahnomelette, Käsecremepfannkuchen, gefüllten Kohl, Schalotten à la bonne femme, Mousse piquante von roten Rüben, Stroganoff-Pflaumen, überbackenen Käsetoast, panierte Rübenschnitzel, brennende Tannennadeltorte und viele andere herrliche Gerichte eigener Erfindung. Tante Glosspan erklärte, sie habe nie im Leben so gut gegessen. Jeden Morgen saß sie schon lange vor der Mittagszeit in ihrem Schaukelstuhl auf der Veranda, leckte sich die Lippen, schnüffelte nach den Gerüchen, die aus dem Küchenfenster drangen, und sah mit Spannung der kommenden Mahlzeit entgegen.
    «Was machst du denn heute, mein Junge?», fragte sie dann wohl.
    «Rate mal, Tante Glosspan.»
    «Riecht wie Schwarzwurzelpfannkuchen, finde ich», antwortete sie und schnüffelte angestrengt.
    Und dann kam das zehnjährige Kind mit einem kleinen Triumphlächeln heraus, in den Händen einen großen Topf, in dem ein himmlisches Ragout aus Pastinak und Liebstöckel dampfte.
    «Weißt du, was du tun solltest?», meinte die Tante, während sie sich das Ragout schmecken ließ. «Du solltest sofort Papier und Bleistift nehmen, dich hinsetzen und ein Kochbuch schreiben.»
    Langsam die Pastinakwurzel kauend, blickte Lexington zu ihr hinüber.
    «Warum nicht?», rief sie. «Ich habe dich schreiben gelehrt, und ich habe dich kochen gelehrt, und jetzt brauchst du nur noch beides zu vereinigen. Ja, mein Liebling, du schreibst ein Kochbuch, und das wird dich in der ganzen Welt berühmt machen.»
    «Schön», sagte er. «Einverstanden.»
    An demselben Tag begann Lexington mit der Niederschrift des monumentalen Werkes, das ihn für den Rest seines Lebens beschäftigen sollte. Er gab ihm den Titel: Iss gut und gesund.

VI
    Sieben Jahre später hatte der nunmehr Siebzehnjährige etwa neuntausend Rezepte aufgezeichnet, samt und sonders eigene Erfindungen und alle ausgezeichnet.
    Dann aber wurde seine Arbeit durch Tante Glosspans tragisches Ende jäh unterbrochen. Eines Nachts hatte sie einen heftigen Anfall, und Lexington, der in ihr Schlafzimmer gestürzt kam, um zu sehen, was der Lärm bedeutete, fand sie auf ihrem Bett liegen, schreiend und fluchend und sich zu allerlei komplizierten Knoten verdrehend. Es war ein entsetzlicher Anblick, und der aufgeregte Jüngling tanzte händeringend in seinem Pyjama um sie herum. Er hatte keine blasse Ahnung, was er tun sollte. In dem Bemühen, sie zu beruhigen, holte er schließlich einen Eimer Wasser aus dem Teich auf der Kuhweide und kippte ihn ihr über den Kopf, was jedoch die Krämpfe nur verstärkte, sodass die alte Dame binnen einer Stunde ihren Geist aufgab.
    «Das ist wirklich zu schlimm», sagte der arme Junge und kniff sie ein paarmal, um sich zu vergewissern, dass sie tot war. «Und so plötzlich! So schnell und unerwartet! Vor wenigen Stunden schien es ihr doch noch ausgezeichnet zu gehen, denn sie aß drei große Portionen von meiner neuesten Schöpfung, den Pilzbuletten in Teufelssauce, und sie sagte, es schmecke herrlich.»
    Da er seine Tante sehr geliebt hatte, weinte er einige Minuten. Dann riss er sich zusammen, trug sie hinaus und begrub sie hinter dem Kuhstall.
    Am nächsten Tag räumte er ihre Sachen auf, und dabei fand

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