Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
und wappnete sich bereits innerlich, doch dann verlangsamte die Limousine die Fahrt, und Lucas schaute aus dem Seitenfenster und sagte: „In letzter Sekunde gerettet, Miss Carter. Wir sind da.“
Er beeilte sich nicht, Grace zu folgen, als sie aus dem Wagen sprang, kaum dass der Chauffeur die Limousine zum Halten gebracht hatte. Sollte sie ruhig davonlaufen, er hatte die Jagd immer geschätzt. Viel Gelegenheit hatte ihm die holde Weiblichkeit dazu bisher leider nicht gegeben, reichte doch schon ein vages Interesse von seiner Seite, um ihm die begehrte Beute in seine Arme zu treiben.
Ein scheues Reh war also eine willkommene Abwechslung.
Bedächtig stieg Lucas aus und heftete seinen Blick auf Graces gebeugte Silhouette. Einem plötzlichen Impuls folgend, nahm er dem Fahrer den Regenschirm ab und scheuchte den verwirrten Mann ins warme Wageninnere zurück. Dann folgte er der spröden Miss Carter ohne Hast durch den strömenden Regen in Richtung Eingangsportal.
Von dort aus konnte Grace, wie er sehr gut wusste, den gesamten Grundbesitz übersehen, der sich sanft abfallend zu ihren Füßen erstreckte – eine hinreißende, ländliche Szenerie, mit dem charmant pittoresken Ort Wolfestone am grünen Horizont. Doch wenn jemand wusste, wie sehr die Idylle trog, dann Lucas Wolfe.
„Sie sind ganz nass“, stellte er nüchtern fest, sobald er sie eingeholt hatte, und hielt den Schirm über sie beide. Dadurch kamen sie sich zwangsläufig sehr nahe, wogegen zumindest er nichts einzuwenden hatte. Ob Miss Carter wusste, was für ein Bild sie abgab? Lucas bezweifelte es.
Das sonst so geordnete Haar hatte sich teilweise aus dem strengen Knoten befreit und lockte sich um ihr ovales Gesicht wie ein goldener Heiligenschein. Die weichen Lippen glänzten feucht und luden zum Küssen ein, doch ihr Blick warnte ihn davor.
„Sie vergaßen zu erwähnen, dass Wolfe Manor eine Ruine ist, Mr Wolfe.“
„Noch nicht ganz …“, korrigierte er sie und schaute zum Haus hinüber, diesmal mit klarem Kopf und ohne die entnervende Gegenwart seines älteren Bruders. Trotz eindeutigem Renovierungsbedarf lag sein Familienheim noch nicht in Schutt und Asche, wie er es sich in den vergangenen Jahren so oft gewünscht hatte. „Aber man soll die Hoffnung ja bekanntermaßen nie aufgeben.“
Sein Zynismus ging ins Leere, weil Grace ihn nicht länger anschaute und offensichtlich auch nicht zuhörte. Voller Konzentration studierte sie den maroden Zustand des antiken Gebäudes, dann wandte sie sich um und ließ ihren kritischen Blick über das weitläufige Grundstück wandern, bis hinunter zum See, der selbst bei diesem grauen Wetter noch anziehend wirkte. Nach einer Weile seufzte sie und nahm ihren Begleiter streng ins Visier.
Nur mit Mühe konnte Lucas sich davon zurückhalten, die kleine steile Falte zwischen ihren gefurchten Brauen zu küssen.
„Ich denke, man könnte das Partyzelt auf dieser Grünfläche platzieren, wobei Zelt kaum der passende Ausdruck ist. Eher würde ich das spektakuläre Gebilde, das mir vorschwebt, in die Kategorie Fliegende Bauten einordnen … mobile, temporäre Architektur“, spezifizierte Grace auf seinen fragenden Blick hin. „Unter der flexiblen Außenhaut verbirgt sich so etwas wie ein Ballsaal mit Boden und festen Wänden, die beliebig platziert und dekoriert werden können. Was mir vorschwebt, wäre …“
Als sie Lucas’ intensiven Blick spürte, brach Grace errötend ab. Immer wenn sie von ihrem Job sprach, bestand die Gefahr, dass sie ins Schwärmen und Träumen geriet. Dabei hatte sie sich doch eben noch vorgenommen, ihre lebhafte Fantasie im Zaum zu halten, besonders heute – und ganz besonders in Gegenwart von Lucas Wolfe.
„Bei schönem Wetter müsste es als Platzangebot reichen, da den Gästen zusätzlich das wundervolle Grundstück mit dem romantischen See zur Verfügung stehen würde“, fuhr sie im sachlichen Ton fort. „Der Zustand des Anwesens könnte sogar für uns arbeiten. Haus und Grund verleihen dem Event ein wenig antikes Flair und knüpfen damit an Tradition und alte Werte an, die für Hartington stehen. Die Gala selbst und unsere geplante Werbekampagne mit Ihnen als Zugpferd schlagen dann den Bogen in die Zukunft. Wer weiß, ob es nicht doch ein Erfolg wird.“
Lucas lachte. Es hörte sich allerdings bitterer an als beabsichtigt. „Dies ist Wolfe Manor, Miss Carter! Alle Geister, die hier spuken, kenne ich beim Namen. Und seien Sie gewiss, in ganz England gibt es niemanden, der
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