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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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Vor dem ersten Schritt
    Das Dreiländereck von Böhmen (Tschechien), Bayern und Sachsen hatte ich mir ganz anders vorgestellt, irgendwie exotischer. Das lag vermutlich daran, dass ich gerade erst von einem Dreh aus dem Yellowstone-Nationalpark zurückgekehrt war, einer Region, die einen staunen lässt.
    Der Nationalpark inmitten der gewaltigen Rocky Mountains liegt zum größten Teil in der Caldera des Yellowstone-Vulkans, des größten Supervulkans auf dem amerikanischen Kontinent. Es zischt und brodelt und dampft aus unzähligen Geysiren – darunter »Steamboat«, der größte aktive Geysir der Erde –, Schlammtöpfen und heißen Quellen; mittendrin riesige Herden von Steppenbisons, dazu Wölfe, Bären, Wapitis – ein wahres Naturwunder, vor allem im Winter, wenn der Kontrast zwischen Kälte, Eis und Schnee einerseits und den heißen Auswürfen unseres Planeten andererseits dem Ganzen einen ganz eigenwilligen Reiz verleiht.
    Als damals der Anruf vom ZDF kam und der Redakteur fragte, ob ich nicht Lust hätte, was über die deutsch-deutsche Grenze zu machen, da Deutschland wegen des 20. Jahrestags des Mauerfalls im Trend liege, habe ich ganz spontan zugesagt, weil mir die Idee sehr gefiel. Obwohl ich genug Arbeit hatte: Die »Expeditionen zu den Letzten ihrer Art« – eine ZDF -/National-Geographic-Reihe überbedrohte Tierarten – gingen weiter, und parallel war ein Buch  [1] zur ersten Staffel in Arbeit.
    »Tja, also, was ich noch nicht gesagt habe: Du sollst die 1400 Kilometer dieser Grenze wandern«, schob der Redakteur nach.
    Wo soll ich denn da anfangen?, schoss es mir in den Kopf. Etwa irgendwo im tiefsten Polen oder Tschechien? Mir war bis zu dem Zeitpunkt nicht klar gewesen, dass die innerdeutsche Grenze so lang gewesen war, immerhin die Entfernung von Nürnberg nach Barcelona oder von Bremen nach Florenz. Das hat mich erstaunt, denn wir sind ja ein recht kleines Land.
    Aufhänger war also das Jubiläum der Wiedervereinigung; doch die Wanderung führte zudem durch das größte Naturschutzgebiet Deutschlands. Deutschlands größtes Naturschutzgebiet?, staunte ich. Das hatte ich bis dahin in den Nationalparks Bayerischer Wald oder Wattenmeer vermutet, doch nicht an der deutsch-deutschen Grenze. In der Tat ist das sogenannte Grüne Band mit nur ein- bis zweihundert Metern Breite, dafür aber fast eineinhalbtausend Kilometern Länge unser größtes Naturschutzgebiet. Das Erstaunliche ist jedoch nicht so sehr seine Größe beziehungsweise Länge, sondern dass es mitten durch »wildestes Deutschland« geht, wie man es sonst nur vom Bayerischen Wald und einigen Hochgebirgsregionen kennt. Vierzig Jahre »Zonenrandgebiet«, wie es im Westen hieß, beziehungsweise »Sperrgebiet« – der DDR -Ausdruck – hatten diesem Landstrich sozusagen einen politischen Umweltschutz beschert. Es gab nur wenige große Städte mit noch weniger Schwerindustrie, und die Forst- und Landwirtschaft wurde in der Regel sehr extensiv betrieben, also mit hohem Verbrauch an Fläche, aber geringem Eingriff in die Natur. Das heißt wenig Herbizide, Fungizide, Insektizide, kaum Düngemittel. Dadurch blieb eine Tier- und Pflanzenwelt erhalten, die in anderen Gebieten Deutschlands durch die Jahrzehnte, in denen wir in unserem Land Raubbau betrieben haben, komplett verschwunden ist.
    Klare Vorstellungen, wie das Ganze aussehen sollte, hatte der Sender nicht, nur, dass es eine bunte Mischung werden solle aus Natur, Kultur, Historie und Politik, wobei die Natur ganz klar im Fokus stehen solle, und dass man die Zuschauer ein bisschen verblüffen wolle, indem man zeige, wie »wild« Deutschland noch sein könne. Nun lag mein Schwerpunkt als Tierfilmer in den letzten Jahren zwar nicht gerade in Deutschland, aber ich habe hier lange als Förster gearbeitet und auch einige Tiergeschichten gedreht, sodass mir klar war, wie schwierig es werden würde, in einem der letzten Rückzugsgebiete inmitten dieses ansonsten dicht besiedelten Landes seltene, scheue Tierarten vor die Kamera zu bekommen – oder auch einfach nur vors Fernglas, um sie beobachten zu können.
    Der Knackpunkt, der das Ganze fast platzen ließ, war jedoch ein ganz anderer, nämlich Cleo, die ich unbedingt dabeihaben wollte.
    »Was? Ein Hund?«, fragte meine Chefin beim ZDF irritiert, fast schon entsetzt. »Der sorgt doch nur für Verwirrung. Der bellt die ganze Zeit, stört die Tonaufnahmen und verscheucht die Tiere!«
    »Ich mach’s aber nur, wenn Cleo mit darf«, beharrte ich.
    Nach

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