Küsse niemals deinen Chef! (German Edition)
er rau, presste die Lippen zusammen und starrte über ihren Kopf hinweg in die Dunkelheit.
„Und deine Mutter?“, fragte Grace nach kurzem Zögern.
„Ich habe nie erfahren, wer sie war.“ Seltsam, dass er ihr das ohne spürbare Anstrengung gestehen konnte, obwohl die traurige Wahrheit ihm immer noch einen spürbaren Stich gab. „Er hat mir nur gesagt, dass sie meinen Anblick nicht ertragen konnte und mich deshalb auf seiner Türschwelle abgelegt hat.“
Den kleinen Laut, den Grace von sich gab, ignorierte er. „Also wuchs ich in einem quälenden Zwiespalt auf: Wildfremde himmelten mich wegen meines angeblich so anziehenden Äußeren an, während ich für meine Mutter ein hässliches Balg war, das sie unbedingt loswerden wollte, und mein Vater mich abgrundtief gehasst hat.“
„Steht nur das Wort deines Vaters dafür, was die angebliche Haltung deiner Mutter betrifft?“ Ihre ruhige, eindringliche Stimme schlug eine Saite in seinem Innern an, die er noch nie wahrgenommen hatte. Gleichzeitig vermittelte sie ihm das Gefühl, genau das Richtige zu tun, wenn er sich Grace anvertraute.
Plötzlich erinnerte sich Lucas an einen späten Abend, an dem er seinen Vater in dessen Arbeitszimmer mit seiner Geburtsurkunde konfrontiert hatte, nach der er zuvor monatelang im Haus gesucht hatte. Damals war er ein sehr verbitterter Teenager gewesen und raste vor Wut, weil all seine Geschwister ihre beiden Elternteile kannten, nur er nicht.
Sogar Rafael, der Bastard, wie William ihn bevorzugt nannte. Er wohnte außerhalb der Sichtweite des Anwesens in Wolfestone bei seiner Mutter, die ihn wenigstens vor den Grausamkeiten des Vaters schützen konnte, wenn es hart auf hart kam.
Als Lucas mit dem Dokument vorm Gesicht seines Vaters herumgewedelt und Aufklärung gefordert hatte, reagierte William, wie zu erwarten gewesen war. Mit einem blitzschnellen, harten Stoß nagelte er seinen halbwüchsigen Sohn an die Wand und nahm ihm die Urkunde ab.
„Deine Mutter war eine Frau, die ein Mann nur schwer vergessen kann“, hatte er dabei mit einem widerlichen Grinsen und in einem Ton gesagt, der seinen Sohn bewusst verletzen und demütigen sollte.
Lucas’ eher halbherzigen Versuch, sich zu wehren, unterband William mit einem brutalen Fausthieb auf die Nase des Jungen. Dann warf er ihm ein Fotoalbum vor die Füße und zwang Lucas, es so lange durchzublättern, bis er bei der Hochzeit seines Onkels Richard landete. Und bei dessen frisch angetrauter Frau, die ihn aus den gleichen ungewöhnlichen grünen Augen anschaute, die alle Welt an ihm bewunderte. Sobald ihm dämmerte, dass sein Vater mit seiner eigenen Schwägerin im Bett gewesen war und er das Ergebnis dieser ungeheuerlichen Liaison war, übergab sich Lucas auf den kostbaren Teppich in Williams Arbeitszimmer.
Danach verlor er nie wieder ein Wort über die Angelegenheit.
Und doch saß die Ungewissheit wie ein schmerzhafter Stachel in seiner Seele. Wie oft hatte er versucht, ihn auszureißen. Vergeblich. „Ja, ich habe nie herausbekommen, wer … wer sie wirklich war.“
„Mein Vater verschwand sang- und klanglos, noch bevor ich geboren wurde“, vertraute ihm Grace zu ihrer eigenen Überraschung an. „Es gibt zwar einige John Benisons auf diesem Planeten, aber keiner von ihnen war daran interessiert, mich kennenzulernen. Ich habe nicht einmal seinen Namen bekommen. Es ist keine Schande, ein Unfall zu sein, Lucas“, sagte sie eindringlich. „Es gibt nur leider mehr als genug Eltern, die ihrer Aufgabe nicht gerecht werden und den Namen gar nicht verdienen.“
Lucas streckte die Hände aus und zog Grace von ihrem Fenstersitz hoch. Dann nahm er sie in die Arme und strich ihr sanft über die inzwischen trockenen goldenen Locken. „Ich habe dich vor den Geistern hier gewarnt …“
Grace zwang sich zu einem Lachen. „Was können sie schon für einen Schaden anrichten, außer vielleicht mit ihren Ketten zu rasseln und die Gäste mit ihrem Stöhnen zu erschrecken?“
„Die Sorte, die ich meine, trägt eher Designerkleidung und benimmt sich zumindest nach außen hin wie jeder andere Mensch.“
„Habt ihr euer Zuhause deshalb verlassen? Wegen der Geister? Macht es die Geschehnisse der Vergangenheit leichter, oder tut es sogar gut, das Anwesen langsam verrotten zu sehen?“, versuchte Grace zu verstehen.
„Wenn Wolfe Manor mir gehören würde, hätte ich es längst zerstört und den Boden vergiftet, auf dem es gestanden hat!“
Als Grace ein Stück von ihm abrückte und
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