Küsse und andere Katastrophen
Lebensumstände zu meistern.
Es kostete sie schon genug Energie, das nötige Geld für die umfangreichen Umbauarbeiten aufzutreiben. Allein aus diesem Grund bekam Taylor nachts oft kein Auge zu. Ihr Großvater hatte ihr ein Erbe mit einem großen Haken hinterlassen: dieses renovierungsbedürftige alte Haus, in dem sie jetzt stand. Nur das Haus und keinen Cent mehr. Keine Wertpapiere, kein Barvermögen, nichts.
Taylors teure Ausbildung hatte er komplett finanziert, und sie hatte gut von seinem Geld gelebt, bis er eines Tages starb und alles außer diesem Haus ihrer Mutter hinterließ, die gar nicht einsah, warum sie teilen sollte. Taylors Mutter war schon ihr ganzes Leben lang so geizig gewesen, dass jeder Schotte vor Neid erblassen würde.
Tja, es war eben Pech. Taylor wollte darüber genauso wenig nachgrübeln wie über die Tatsache, dass ihre Familie, mit der sie nichts außer der Blutsverwandtschaft verband, bestimmt überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen würde, wenn sie die vor ihr stehende Aufgabe mit Erfolg bewältigte. Aber wenn sie es nicht schaffte, würden es ganz sicher alle mitbekommen. Wenn sie das Haus verkaufte, wäre sie frei und könnte tun, was sie wollte, doch sie hatte auch ihren Stolz. Sie stand vor der ersten großen Herausforderung ihres Lebens, und da wollte sie nicht kneifen.
Ich werde es schaffen, dachte sie. Ich werde dieses Haus renovieren lassen und meinen Platz im Leben finden. Schon vor Monaten hatte sie angefangen, ein Zimmer nach dem anderen wieder herzurichten, aber dann hatte sie sich dazu durchgerungen, einige ihrer wertvollen Antiquitäten zu verkaufen. Sie hatten ihr mehr eingebracht als erwartet, und sie wollte mit diesem Geld das ganze Haus in einem Zug renovieren lassen.
Und zwar ab morgen.
Auch wenn es ihr auch noch so schwerfallen mochte, sie würde ganz ruhig bleiben. Entschieden steckte sie das Handy wieder in die Tasche. Prüfend blickte sie zu den Wänden, die immer noch unter den rhythmischen Schlägen erbebten. Taylor war sich ziemlich sicher, dass sie sich mit dem Bauunternehmer darauf geeinigt hatte, erst morgen mit den Arbeiten zu beginnen, und nicht schon heute.
Eins konnte sie nicht leiden, und das war die Störung ihrer wohldurchdachten Pläne. Sie wollte diesen letzten Tag der Ruhe genießen, um Kraft für die vor ihr liegende Aufgabe zu sammeln. Damit sie ab morgen der Welt zeigen konnte, aus welchem Holz sie geschnitzt war.
Ihr Haus war um die Jahrhundertwende im viktorianischen Stil erbaut worden und besaß den altmodischen Charme der damaligen Zeit. Allerdings war das Haus seit mittlerweile hundert Jahren vernachlässigt worden. Putz rieselte von den Wänden, die elektrischen Leitungen waren in einem katastrophalen Zustand, über die Holzbalken hatten sich die Termiten hergemacht, und im letzten Jahr hatte ein Wasserrohrbruch eine Überschwemmung herbeigeführt, deren Schäden immer noch nicht beseitigt waren.
Im Erdgeschoss gab es zwei Geschäftsräume mit großen Schaufenstern, im Dachgeschoss befanden sich ein Apartment und ein Dachboden. Dazwischen lagen im ersten Stock zwei Apartments, von denen Taylor eines bewohnte. Im Moment schloss sie die Tür dieses Apartments und ging die Treppe hinunter, dem Lärm folgend.
Auf den Straßen des South Village tobte bereits das Leben. Den Geschäftsleuten des Viertels stand ein weiterer ertragreicher Tag bevor. Los Angeles lag keine zehn Kilometer entfernt, und der berüchtigte Smog machte natürlich nicht an der Stadtgrenze Halt. Doch Taylor fand die heißen, stickigen Sommer nicht so lästig wie viele andere. Ihr gefiel es hier blendend, und sie fühlte sich inmitten der jungen trendbewussten Leute wohl, die sich von diesem Vorort mit seinen vielen Theatern, Straßencafés, Boutiquen und Galerien angezogen fühlten.
Auf diese Leute setzte Taylor ihre Hoffnungen. Schon bald würde sie die beiden Geschäftsräume vermieten können. Suzanne hatte bereits angekündigt, dass sie einen der kleinen Läden für ihren Party-Service nutzen wollte. Zum Glück. Aber was sollte aus dem zweiten werden? Die Vermietung wäre eine wahre Erleichterung für ihr strapaziertes Bankkonto. Allerdings wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben, diese Räume eines Tages für ein eigenes Geschäft zu nutzen. Vorausgesetzt, ihr blieben noch Antiquitäten übrig, nachdem sie die ganzen Umbauten bezahlt hatte. Im Moment war das das jedoch ein sehr weit entfernter Traum.
Das Hämmern war jetzt lauter, und es kam ganz eindeutig aus
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