Küssen ist die beste Medizin (German Edition)
gesetzt, um zu ihrem Haus zu laufen, wo ihr Wagen stand. „Ich fahre ihm hinterher“, rief sie über die Schulter zurück.
Sie hatte keine Ahnung, was los war, aber wenn Simon sie brauchte, wollte sie da sein.
Simon fuhr die gewundene Straße mit Leichtigkeit hinauf, sein Mercedes Cabrio umarmte die Kurven. Die Sonne brannte auf ihn hernieder und verhöhnte ihn mit Wärme und Licht. Regen oder ein heulender Wind würden besser passen, dachte er finster.
Es hatte ein paar Minuten gedauert, um bei dem ganzen Touristenverkehr aus der Stadt herauszukommen. Nachdem er jedoch die Bergstraße einmal erreicht hatte, war außer ein paar Leuten auf Fahrrädern niemand mehr unterwegs.
Er wusste genau, wohin er wollte – auf die Wiese, zu der Montana ihn einmal geführt hatte. Ein ruhiger Ort, manche würdensagen spirituell. Jedenfalls ein ausgezeichneter Schauplatz für den Endkampf.
Während er den Wagen durch sämtliche Kurven lenkte, kämpfte er im Kopf mit widersprüchlichen Auffassungen. In der Falle sitzen oder geschützt sein? Bleiben oder fliehen? Nie zuvor hatte er seine Möglichkeiten infrage gestellt. Nie hatte er überhaupt darüber nachgedacht.
Die feierliche Grundsteinlegung für das neue Krankenhaus stand in nur wenigen Wochen bevor. Wenn er wollte, könnte er daran teilnehmen. Er könnte die Richtung bestimmen, den Schwerpunkt festlegen. Er könnte ein Programm entwickeln, das Beste der Welt. Er könnte andere Spezialisten an Bord holen und auf einer dauerhaften Basis etwas bewirken.
Ein paar Wochen im Jahr könnte er auch dann noch reisen, irgendwelche weit abgelegenen Gegenden aufsuchen und die Menschen heilen, die keine Hoffnung mehr hatten. Es wäre nicht nötig, das ganz aufzugeben.
Er könnte hierbleiben, ein Heim haben, ein Leben. Er könnte ein Teil von etwas sein und dazugehören.
Immer weiter fuhr er den Berg hinauf, bis er schließlich in einen Waldweg einbog, der zu einer gerodeten Stelle führte, wo er seinen Wagen parkte und ausstieg. Nicht ganz sicher, in welche Richtung er musste, lief er durch dichte Büsche und Bäume, bis er schließlich auf einer Lichtung stand.
Er ging bis zur Mitte und blickte zum Himmel hinauf.
„Ich mache das nicht mehr mit“, brüllte er. „Ich lasse mich nicht mehr als Geisel gefangen halten. Ich habe hart gearbeitet. Härter als die meisten. Ich verdiene es. Ich verdiene es, glücklich zu sein. Verstanden? Hörst du mich?“
Seine Worte hallten um ihn herum als Echo wider, gefolgt von einem Klopfen im Wald. Halb erwartete er schon, von einem Berglöwen oder Wolf angegriffen zu werden, aber schließlich verklang das Geräusch und Simon war allein.
Er schloss die Augen.
So kann es nicht ewig weitergehen, dachte er müde. Er konntenicht ständig weglaufen. Schon gar nicht diesmal. Weder vor der Stadt und seinen Patienten noch vor Montana.
„Ich werde sie nicht aufgeben!“ Er schlug die Augen wieder auf und streckte die Arme zum Himmel.
So blieb er wartend stehen, denn er wusste genau, gleich würde er niedergestreckt. Sei es durch einen Blitz, sei es durch irgendetwas anderes.
Aber da war nur Stille. Der Himmel blieb weiterhin klar und blau, die Luft warm.
Wieder hörte er ein Rascheln. Als er sich umdrehte, sah er Montana, die aus den Büschen stürzte. Er ließ die Arme sinken.
„Was machst du denn hier?“, fragte er.
„Das ist meine Frage. Du jagst den Wanderern Angst ein, weißt du. Versuch bitte, das zu vermeiden. Wir brauchen die Einnahmen aus dem Tourismus.“
Mit besorgter Miene kam sie auf ihn zu. „Möchtest du darüber reden?“
„Ich bin nicht verrückt geworden.“
„Ich habe Zeugen, die etwas anderes behaupten.“
In ihren braunen Augen flackerte es kein bisschen. Er konnte darin die Liebe erkennen und Sicherheit. Simon dachte an alles, was sie ihm gegeben hatte, wie sie ihm vertraut hatte, an ihn geglaubt hatte. Und daran, dass sie seine Narben nicht mehr sah.
Fluchend riss er sich das Hemd vom Körper. Die Sonne brannte auf ihn nieder und beleuchtete die Hässlichkeit, die Brust und Rücken verunstalteten. Er nahm ihre Hand in seine und presste sie an sein Herz.
„Das ist es, was ich bin. Ich werde niemals perfekt sein, niemals wie alle anderen. Ich bin nur so gut wie die Arbeit, die ich mache, und wenn ich das verliere …“
Sie nahm seine beiden Hände und hielt sie fest. „Du bist nicht durch das definiert, was du tust. Obwohl deine Arbeit etwas Außergewöhnliches und eine Gabe ist, ist sie nicht das, was du
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