Women of Primrose Creek 02 - Zeit der Liebe, Zeit des Gluecks
Teil I - Skye
Prolog
Primrose Creek, Nevada
Herbst 1868
Die ersten Töne von »Lorena« stiegen von Malcolm Hicks' Fiedel auf wie Rauch von den verkohlten Hoffnungen sechshunderttausend toter Männer der Union und Konföderation und all derjenigen, die vergebens auf ihre Rückkehr aus dem Krieg gewartet hatten. Alles sonst war still in der kürzlich erbauten Gemeindehalle mit ihrem Holzboden, der poliert und mit Sand bestreut worden war, damit die Tänzer beim Reel hüpfen und beim Walzer dahingleiten konnten. Die Tänzer lauschten in respektvoller Stille, einige mit Tränen in den Augen. Ein paar hielten die Hand auf dem Herzen, doch einige hatten die Lippen zusammengepresst und wirkten störrisch wie ein Maultier an einem Führstrick.
Jake Vigil zählte zu den Letzteren. Mit gerade siebzehn Jahren war er von Missouri aus westwärts gezogen, auf eigene Faust, und so betrachtete er sich weder als Yankee noch als Rebell. Nach seiner Meinung war es meistens Zeitverschwendung, zurückzublicken, wenn nur die Gegenwart und Zukunft zählten, aber er wusste auch, dass einem manchmal keine Wahl blieb und man sich mit der Vergangenheit befassen musste.
Als er auf die doppelflügelige Tür der Halle zuging, die trotz des frostkalten Oktoberabends offen stand, fiel sein Blick auf Christy McQuarry Shaw, die Frau, die seine Ehefrau geworden wäre, wenn sie sich nicht vor einem Jahr am Traualtar anders besonnen hätte. Sie so zu verlieren, vor den Augen fast der ganzen Stadt, war vermutlich die größte Demütigung seines Lebens gewesen, doch jetzt, nachdem er etwas Abstand von der Sache gewonnen hatte, war ihm klar, dass eine Ehe für sie beide ein Fehler gewesen wäre.
Heute Abend, als sie, schwanger mit ihrem ersten Kind, neben ihrem Mann, Zachary Shaw, stand, strahlte sie geradezu vor Glück. Jake lächelte, vielleicht ein bisschen traurig, als die letzten Töne von Malcolms Lied in der Abendluft verwehten, und wandte sich ab, um zu entkommen.
Fast sofort prallte er mit einer Frau zusammen, die er nur mit Mühe wieder erkannte, so verändert wirkte sie ohne ihre übliche Kluft aus Hose, Hemd und Hut. Sein Herz schien einen Sprung zu machen, als sich ihre Blicke trafen. Ihre Augen waren braun und spiegelten Übermut und Intelligenz wider. Ihr Haar hatte die Farbe von poliertem Mahagoni und war am Nacken irgendwie aufgesteckt, weich und glänzend.
Skye McQuarry.
»Verzeihung«, sagte er und packte sie an den Schultern, um sie zu stützen. »Ich wollte nicht...«
Sie lächelte, und Jake ließ unbeholfen seine Hände sinken, irgendwie benommen, und trat einen Schritt zurück. »Das weiß ich«, sagte sie, und Jake hätte geschworen, dass sein Nacken schweißnass wurde.
Er war immer noch benommen und nahm ihren Anblick wieder in sich auf, fast schwindelig und staunend. Er war entzückt von ihrer fraulichen Figur und der makellosen Haut, und an ihrem Lächeln war etwas Zauberhaftes, Geheimnisvolles, als würde sie einen in einen Bann ziehen, der nie gebrochen werden konnte.
Ihr Kleid war grün, und die Röcke schienen zu rascheln, obwohl sie stillstand. Ihr Schlüsselbein war zu sehen und ein Teil ihrer Schultern - dieser Schultern, die zu berühren er sich angemaßt hatte. Unter alldem lag die unentdeckte Landschaft ihrer Schönheit, und er spürte, dass es ein fast unendliches Gebiet war, und wusste, dass es ein Leben lang dauern würde, um sie kennen zu lernen, ein Abenteuer, erfüllt mit Geheimnissen und Wunderbarem, mit Lust und Schmerz.
Er trat wieder einen Schritt zurück, weil er sich an Christy erinnerte. Und an Amanda.
»Sie sind Bridget Qualtroughs kleine Schwester«, sagte er. Es war die erste zusammenhängende Bemerkung, die ihm in den Sinn kam, und er fühlte sich sofort wie ein Dummkopf.
Sie lachte und blickte über ihre Schulter, als fühle sie sich verfolgt. Ihr nervöser Ausdruck der Freude brachte in Jake etwas zum Schwingen, wie es Malcolms Geschick mit der Fiedel nie hätte bewirken können. »Ich bin Bridget Qualtroughs Schwester, in der Tat. Und ich habe einen eigenen Namen. Er lautet Skye.« Sie blickte wieder hinter sich, und Jake erhaschte einen Blick auf einen finster dreinblickenden jungen Soldaten, der sie beide aus zusammengekniffenen Augen beobachtete.
Er hätte die Veränderung, die mit dem Mädchen vorgegangen war, nicht geglaubt, wenn er sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Die Skye McQuarry, an die er sich erinnerte, war ein stilles, scheues Mädchen gewesen, das
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