Kullmann
Büros und schaute hinunter auf die Straße, wo Kullmann entlang ging. Plötzlich blieb er stehen, drehte sich um und schaute zu ihr hinauf.
Sie winkten sich zu.
Dann verschwand er in der Dunkelheit.
*
Epilog
Anke stand schon eine Weile auf der anderen Straßenseite vor dem Landeskriminalamt. Sie genoss die Stille und die klare Nachtluft. Die Fenster der ersten Etage, wo sich ihre Abteilung befand, waren hell erleuchtet, die Silhouetten der Feiernden huschten lautlos daran vorüber. Ihr war einfach nicht nach Feiern, sie wollte nachdenken, was ihr nur in der Stille der Nacht gelang.
Gerade erkannte sie die Umrisse von Erik Tenes, dessen Größe ihn von den anderen deutlich unterschied. Bei seinem Anblick fiel ihr ein, dass sie ihm sehr dankbar war. Sein selbstloser Einsatz war weit über die üblichen Dienstpflichten hinausgegangen. Er hatte zum Ziel, ihr Leben zu retten, wofür er ohne zu zögern eine lebensbedrohliche Befreiungsaktion durchgeführt hatte. Das grenzte an einen unbezahlbaren Idealismus, für den es keine angemessene Würdigung gegenüber den Hütern der Sicherheit gab.
Was Esche und Kurt Spengler betraf, so hatten sie eine schwierige Aufklärungsarbeit geleistet, die einen tiefen Einblick in die verschlungenen Wege des Verbrechens eröffnete. Dabei waren sie und ihr ehemaliger Chef und Vertrauter, Norbert Kullmann, ein großes Risiko eingegangen, was bei ihr einen bitteren Nachgeschmack hinterließ bei dem Gedanken, was die Richter nun aus diesen Fällen machen würden. Wie oft fielen die Urteile lächerlich im Vergleich zu der Schwere der Verbrechen und der Gefährlichkeit der Ermittlungsarbeiten für die Polizeibeamten aus!
Mit langsamen Schritten schlenderte sie in Richtung Staden. Sie vermied es, direkt an Roberts Wohnung vorbeizugehen. Wenn sie an ihn dachte, spürte sie immer noch den Schmerz, den seine Lücke hinterlassen hatte. Sie hatten beide Fehler gemacht, Anke hatte ihn fälschlicherweise verdächtigt, ein Mörder zu sein, was sie inzwischen selbst als große Ungeheuerlichkeit empfand. Robert hatte sie ständig im Ungewissen gelassen, wie genau er es mit der Treue nahm, auch ein Verhalten, das schwer verzeihlich war. Die Früchte dieser launenhaften Beziehung trug sie nun unter ihrem Herzen. In einer Hinsicht zeigte Robert allerdings eine klare Linie. Er trat genau in die Fußstapfen seines Vaters, weil er für das Kind nur die Alimente zahlen wollte. Aber das sollte Anke nicht stören, sie freute sich inzwischen sehr auf ihre neue Aufgabe.
Nur leider kam dadurch ihr lieb gewonnenes Hobby – nämlich das Reiten – für eine lange Zeit zu kurz. Aber aufgeben würde sie diese neue Leidenschaft bestimmt nicht, viel zu viel hatte ihr das treue Pferd Rondo gegeben.
Sie ging über die kleine Fußgängerbrücke, die Daarler-Brücke. Auf der anderen Saarseite führte der Weg unter der Stadtautobahn hindurch zum Stadtteil St. Arnual, wo Anke wohnte. Am höchsten Punkt des Brückenbogens blieb sie stehen und schaute sich um. Zu ihrer rechten Seite lag im Lichtermeer der Teil der Stadt, den sie zurückließ, der Staden. Zu ihrer Linken lag hell erleuchtet der Stadtteil, in den sie jetzt zurückkehrte, St. Arnual. Auf der Schnellstraße stand selbst zu dieser späten Stunde der Verkehr nicht still. Ständig huschten weiße Scheinwerferlichter oder rote Rückblendlichter vorbei. Unter der Brücke sah sie den still dahinfließenden Fluss, der in der Dunkelheit geheimnisvoll glitzerte. Sie war diesen Weg schon lange nicht mehr zu Fuß gegangen. Schade eigentlich, Saarbrücken hat schöne Seiten, dachte sie, auch bei Nacht.
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