Kultur 08: Der Algebraist
als hundert
Gravitationseinheiten auf.
Eine Gruppe – ein volles Geschwader von sechzig Schiffen
– bremste jedoch nicht ganz so drastisch ab. Ein weiteres
Dutzend wurde gar nicht langsamer und wollte die ganze Strecke bis
zum System und auch den größten Teil des Weges durch das
Innere bei voller Geschwindigkeit fliegen. Die Besatzungen und die
Systeme dieser Schiffe waren in hunderten von Simulationen für
einen nicht mehr als knapp vier Stunden dauernden Durchflug bei
ultrahoher Geschwindigkeit durch das Planetensystem von Ulubis
geschult worden. In weniger als zwanzig Tagen sollten bei dieser
Passage möglichst viele Daten zu den aktuellen Bedingungen im
System gesammelt und ausgewertet werden. Die nächste Aufgabe
war, die Ergebnisse den nachkommenden Schiffen zu signalisieren und
zugleich in den Datenbanken aus einem breiten Spektrum von
gespeicherten Möglichkeiten ein Paket von Angriffsprofilen
auszuwählen. Danach würde gegen alles, was man als Feind
identifiziert hatte, aus allen Rohren gefeuert. Hoffentlich machte
man reiche Beute. Das Vorauskommando würde fast wie aus heiterem
Himmel nur einen Monat nach dem Überfall durch die
Hungerleider-Flotte über Ulubis hereinbrechen. Mit etwas
Glück wäre die Situation noch nicht stabil, und die
Streitkräfte des E-5-Separats hätten noch keine Zeit
gehabt, ihre Verteidigung angemessen zu organisieren.
Bevor die Schiffe das System vollends durchflogen hätten,
würden sie ihrerseits eine noch drastischere Bremsphase
einleiten, einen Lichtmonat jenseits davon zum Stillstand kommen und
mehrere Wochen nach Eintreffen der Hauptflotte nach Ulubis
zurückkehren: bestenfalls, um bei den Aufräumungsarbeiten
zu helfen, schlimmstenfalls, um einen vernichtenden Gegenangriff zu
führen.
Der Rest dieses Geschwaders sollte das System in kleinen Einheiten
unregelmäßig gestaffelt und gut verteilt passieren. Die
Taktik würde zum Teil durch die Erkenntnisse der
Hochgeschwindigkeitsschiffe bestimmt. Wenn alles klappte und der
Schlachtplan sich bewährte, würden Wellen von
Kriegsschiffen, von denen sich jede länger innerhalb des Systems
aufhalten konnte als ihr unmittelbarer Vorgänger, den Feind mit
einer Serie von kleineren Schlägen zermürben, seine
Zuversicht erschüttern, ihn aus dem Gleichgewicht bringen,
verwirren und erste Opfer fordern. Danach würde der Hauptteil
der Flotte daherfahren wie eine geballte Faust und einen letzten,
massiven K.O.-Schlag anbringen.
Das Licht ihrer Triebwerke würde natürlich vor ihnen
eintreffen. Eine vollkommene Überraschung war nicht
möglich.
Die Verteidiger von Ulubis hatten sogar noch früher von der
Ankunft der Hungerleider erfahren, aber sie hatten mit der Warnung
nicht allzu viel anfangen können. Die Flotte des E-5-Separats
hatte abgebremst, und während sie noch einige Tage entfernt
mitten in der Oort’schen Wolke schwebte, hatten alle Schiffe
fast gleichzeitig ihren Antrieb abgeschaltet. Als die Leitschiffe die
Grenze zum Planetensystem überschritten, waren sie noch
langsamer geworden.
In den Wochen, nachdem die Triebwerkssignaturen das Ulubis-System
erreicht hatten und die Triebwerke abgeschaltet worden waren, als
folglich die Invasion auf ihrem Höhepunkt war, hatte man viele
Waffenblitze gesichtet. Die meisten im Umkreis der Planeten Sepekte
und Nasqueron.
»Mein Name ist Leisicrofe von Hepieu, Nasqueron,
Äquatorzone. Dies ist mein Testament. Wer immer du bist, ich
gehe davon aus, dass du mir wegen der Daten gefolgt bist, die ich im
Auftrag meines Dweller-Landsmannes, des Forschers Valseir von
Schenehen bei mir trug. Wenn dem nicht so ist und dir diese
Aufzeichnung sozusagen der Zufall in die Hände gespielt hat, ist
sie vielleicht nur von geringem Interesse für dich. Falls du es
jedoch auf die Daten abgesehen hattest, dann muss ich dir gleich
sagen, dass du enttäuscht sein wirst.«
Fassin spürte, wie in seiner Seele etwas zerriss.
»Oh-oh«, sagte Y’sul.
»Das mag dir wie ein Unglück erscheinen, und vielleicht
bist du jetzt wütend. Aber wahrscheinlich habe ich dir einen
großen Gefallen erwiesen, denn ich bin der aufrichtigen und
festen Überzeugung, dass ich die Daten besser nicht an mich
genommen hätte, als man mich darum bat. Mehr noch, man
hätte niemanden drängen dürfen, die Verantwortung
dafür zu übernehmen. Natürlich sollte ich nicht
wissen, worum es sich handelte, und es war auch nicht direkt Valseirs
Schuld, dass ich davon erfuhr.
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich
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