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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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nicht so
zuverlässig war, wie mein Freund Valseir dachte. Er gab mir die
Daten in einem verschlossenen Behälter und bat mich, diesen
nicht zu öffnen. Ich versprach es ihm. Er verlangte nicht einmal
mein Ehrenwort, sicher glaubte er, wenn er an einen Freund und
Forscherkollegen eine solche Bitte richte, sei ein einfaches Ja
Garantie genug. Aber ich bin anders als Valseir. Ich bin von Natur
aus neugierig, nicht nur dann, wenn ein bestimmtes Thema mich rein
vom Intellekt her fasziniert. Viele Jahre widerstand ich auf meinen
Reisen der Versuchung, den Behälter zu öffnen, doch
irgendwann erlag ich ihr. Ich öffnete den Kasten, ich las, was
sich darin befand, und ich erkannte, was es bedeutete.
    Selbst dann hätte ich noch aufhören, den Behälter
schließen und wieder verwahren können, und hätte ich
das getan, ich wäre noch am Leben. Stattdessen las ich weiter
– und deshalb musste ich sterben. Ich kann zu meinen Gunsten nur
anführen, dass ich zu jener Zeit wohl wie benommen war und all
das nicht glauben konnte.«
    »Ich glaube eher, er hatte irgendwelche Entspannungsdrogen
genommen«, schnaubte Y’sul.
    »Und so kam es, dass ich nicht nur das Medium in meiner Obhut
hatte, sondern auch seinen Inhalt, das Wissen, das es enthielt. Als
ich begriff, was ich erfahren hatte, und seinen unschätzbaren
Wert erfasste, wurde mir klar, dass ich damit überfordert war.
Obwohl ich nicht vollkommen verstanden hatte, was ich gelesen hatte,
konnte ich es nicht vergessen. Ich konnte es weitersagen, und es war
nicht auszuschließen, dass jemand mich mit Drogen oder durch
direkte Eingriffe in mein Gehirn und Bewusstsein zwang, mein Wissen
zu verraten.«
    »Spinner«, sagte Y’sul.
    »Was ist das?«, fragte eine Hälfte von Quercer
& Janath leise über die offene Verbindung zur Velpin.
    »Hmm. Weiß nicht.«
    Das klang nicht so, als hätten die beiden der
Leisicrofe-Aufzeichnung aufmerksam zugehört.
    »Ich will nicht leugnen, dass ich mich seit längerem mit
meinem Tod beschäftigt hatte. Aber nur
gewohnheitsmäßig, in Zusammenhang mit dem Abschluss meiner
Forschungen zu den vielen verschiedenen Cincturier-Formen und mit der
Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit – von der
ich leise Hoffnungen hegte, dass sie zum Standardwerk werden
könnte – über dieses Gebiet, das ich mir erwählt
habe und dem meine Liebe gehört. Doch mit meinem heutigen Wissen
halte ich es, wie ungern auch immer, für besser, meine Studien
abzubrechen und meinem Leben ein Ende zu setzen, sobald das in
Würde geschehen kann. Ich werde es hier tun, bei den Ythyn, auf
dem Nekro-Cineropol-Schiff Rovruetz, denn hier könnte
mein Tod noch etwas mehr Sinn haben als an irgendeinem anderen
Ort.«
    »… Sieht aus wie, oder…«, kam es über den
offenen Kanal.
    »Anpingen?«
    »Nein! Bist du…? Schalte das ab…«
    Die offene Verbindung wurde geschlossen. Fassin wandte sich der
Zugangsluke und dem kurzen Tunnel zu, der das Solo-Schiff mit der Velpin verband.
    Leisicrofe sprach immer noch. »… wirst mir verzeihen. Du
solltest es tun. Wenn du weißt, wonach du suchst, dann sage ich
nur so viel: es sah eher wie ein Code aus, wie eine Frequenz, und
dürfte den Erwartungen kaum entsprochen haben. Aber jetzt
existiert es nicht mehr. Ich habe es zerstört, habe es zusammen
mit dem Behälter in die Sonne Direaliete geschossen. Von einer
Kopie ist mir nichts bekannt. Wenn dir dies alles vollkommen sinnlos
vorkommt, dann bitte ich dich, respektiere den letzten Wunsch eines
alten und – wie sich jetzt zeigt – sehr törichten
Dwellers und lass ihn hier in Frieden ruhen.« Das Bild gefror,
und die Meldung ›Ende der Aufzeichnung‹ leuchtete auf.
    Fassin starrte das Bild des toten Dwellers an. Das war das Ende.
Er hatte versagt. Jetzt würde er wohl nie mehr erfahren, ob die
Dweller-Liste jemals irgendetwas bedeutet hatte.
    »Vollkommen verrückt«, seufzte Y’sul und
spielte an den Schaltern der Glyphentafel herum. »Das ist
offenbar unser Schicksal.« Er wandte sich an Fassin.
»Klingt wohl nicht allzu hoffnungsvoll, junger Mensch?«
    Die Verbindung zum Schiff wurde mit leisem Klicken wieder
aktiviert. »Raus mit euch!«, schrien Quercer & Janath.
»Ihr habt zehn Sekunden Zeit, um auf die Velpin zurückzukommen!«
    »Wir werden angegriffen! Es eilt!«
    Fassin schüttelte seinen Schock ab und näherte sich
rückwärts der offenen Luke, die zur Velpin führte.
    Y’sul löste sich aus der Sensornische und folgte ihm.
Mit einem Nabenarm kratzte er sich den

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