Kultur 08: Der Algebraist
eingeschleust. Das war der
Grund, warum der ›Zusammenbruch‹ von der Konzeption her so
paranoid und in der Durchführung so miserabel war. Die
Verschwörer hatten viel zu viel Angst, dass ein Verräter
von ihren Plänen erfahren könnte. Ein Fiasko.«
Fassin hatte das Gefühl, dass sein Gehirn sich gerade aus
seinem Körper löste und sein Körper und das Gasschiff
ebenso auseinander strebten wie vorhin die Hülle von Quercer
& Janath, als die beiden den Beweis antraten, dass sie keine
biologischen Dweller waren. Was er eben gehört hatte, war die
empörendste Klitterung der – aus galaktischer Sicht –
jüngeren Geschichte, die ihm jemals untergekommen war. Das
konnte nicht wahr sein.
»Das heißt… die Dweller-Liste beruht auf
Tatsachen.«
»Das alte Ding? Ja, es beruht auf Tatsachen. Auf veralteten
Tatsachen, wohlgemerkt, aber sonst – ja.«
»Gibt es eine Transformation?«
»Eine geheime Zauberformel, die enthüllt, wie man das
Netzwerk findet?«
»Ja.«
Ein Lachen. »In gewissem Sinn könnte man es
tatsächlich so sehen.«
»Wie lautet die Formel?«
»Das werde ich Ihnen nicht verraten, Seher Taak.« Die KI
schien sich köstlich zu amüsieren. »Es gibt
Geheimnisse, und es gibt tiefe Geheimnisse. Ist es das, wonach Sie
suchen? Haben Sie deshalb all die vielen Reisen auf sich
genommen?«
»Kein Kommentar.«
»Das muss frustrierend für Sie sein. Tut uns
Leid.«
Die Bilderflut vor den KIs riss ab.
»Bereit zum Start.«
»Halteschlitten?«
»Repariert, physiologisch-technisches Profil verbessert, neue
Parameter für Pufferung aufgestellt.«
»Nun, dann können wir doch…«
»Oh! Oh!«
»Was?«
»Mir ist eben etwas eingefallen!«
»Nämlich?«
»Wir können es auch so machen. Pass auf.«
Quercer & Janath manövrierten die Reste der toten Voehn
mit dem Magnetfeld-Konvolver der Protreptik ganz sachte in
eine Serie von sehr engen, sehr langsamen Umlaufbahnen um die Velpin und das immer noch damit verbundene
Dweller-SoloSchiff.
»So. Sieht das nicht besser aus?«
»Verrückt wie ein Ghul«, klagte Y’sul.
»Ich bin schwer verletzt. Bringt mich nach Hause.«
»Mann, das ging aber schnell; sieh doch nur!«
»Sie sind gut. Ich dachte, sie würden viel länger
brauchen, um die Schiffsautomatik zu überbrücken.«
Ein Bildschirm zeigte in Großaufnahme eine
Schleusentür, die sich plötzlich im Rumpf der Velpin geöffnet hatte. In der Öffnung erschien ein
Voehn-Soldat, der eine Handwaffe hob und auf die Protreptik zu
schießen begann. Auf einem zweiten Bildschirm war zu sehen, wie
die reaktiven Chaos-Panzer-Felder den Strahl absorbierten. Ein
Blasrohr gegen ein Schlachtschiff.
»Wenn wir starten wollen, wird es Zeit.«
»Wir brauchen unbedingt irgendein Ziel. Ich sage, wir
schießen auf diesen Klugscheißer mit der
Handwaffe.«
»Nein.«
»Nun komm schon!«
»Man sollte sich nie auf Software verlassen.« (Beide
Hälften von Quercer & Janath lachten schallend über
diesen Witz.) »Schieß lieber auf die Haupttriebwerke der Velpin.«
»Das klingt schon besser! Im Visier. Feuer.« Vom Schiff
kam ein kurzes Summen.
Auf mehreren Bildschirmen einschließlich des Hauptschirms
vor den Flossersitzen flammte die Velpin um die
Triebwerksgondeln auf und durchlief das Spektrum von grellem Pink bis
Sternenweiß. Dann brach das Schiff entzwei, und die Teile
trieben in einer Wolke aus glitzernden Metalltrümmern
auseinander. »Ups!«
»Ach, das sind doch Voehn. Wahrscheinlich haben sie es in
einer Stunde wieder zusammengeflickt und jagen hinter dem
Nekro-Schiff her, um es zu entern. Los jetzt!«
Die Zwillings-KI drehte sich um und sah den Dweller und den
Menschen im Gasschiff an.
»Wir legen Ihnen jetzt die Sitzgurte an. Schreien Sie, wenn
etwas nicht stimmt.«
Die großen ›Finger‹ an den Sitzen begannen zu
jaulen. Fassin spürte, dass das Gas sich wie Sirup
verdichtete.
»Alles klar?«
Die beiden bestätigten es.
»Und es geht los!«
Die Sterne begannen sich zu drehen, das Summen wurde tiefer und
lauter, dann machte das Schiff einen Satz. Die Trümmer der Velpin verschwanden.
Quercer & Janath steuerten das gestohlene Nadelschiff durch
das Riesen-O des Nekro-Schiffs, nur um zu zeigen, was sie konnten,
und ignorierten die melancholisch-vorwurfsvollen Signale, die ihnen
die Ythyn auf dem Weg ins Direaliete-System und zu seinem geheimen
Wurmloch hinterherschickten.
Wer ein Ultimatum erwartet hatte, eine Aufforderung zur
Kapitulation, wenn auch noch so demütigend, so
Weitere Kostenlose Bücher