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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Käfigen oder Tanks und die
aufgespießten Köpfe all jener bedeutenden und inzwischen
mausetoten Feinde und Widersacher, die nicht so vollständig
vernichtet worden waren, dass an sterblichen Überresten nur
Strahlung, Staub, Schleim oder nicht mehr identifizierbare
Fleischfetzen und Knochensplitter (oder die entsprechenden
Alienrückstände) geblieben wären.
    Lusiferus ging zu einem tiefen Trockentank, der zur Hälfte in
den Fußboden eingelassen war, und schaute hinein. Auf dem Grund
des Beckens lag zusammengerollt und reglos ein Abstruser
Spleißer. Der Archimandrit schlüpfte mit einer Hand in
einen dicken Handschuh, der ihm bis zum Ellbogen reichte, griff in
einen großen Topf, der in Hüfthöhe auf dem breiten
Beckenrand stand, und warf eine Hand voll fetter schwarzer
Rüsselegel in den Tank.
    »Und wie geht es dir so? Hältst du dich tapfer?
Ja?«, fragte er.
    Ein Zuschauer hätte nicht sagen können, ob der
Archimandrit mit dem Menschen an der Wand, mit dem Abstrusen
Spleißer – der jetzt nicht mehr still lag sondern den
blinden glänzend braunen Kopf hob und schnupperte, während
ein erwartungsvolles Zucken durch seinen langen Gliederkörper
ging – oder gar mit den Rüsselegeln sprach, die Stück
für Stück auf den bemoosten Grund des Beckens klatschten
und sofort mit sinusartigen Wellenbewegungen über den Boden der
Ecke zustrebten, die am weitesten von dem Abstrusen Spleißer
entfernt war. Das massige braune Untier schleppte sich
schwerfällig hinterher und trieb sie die glatten Glaswände
hinauf. Jeder Egel wollte die anderen überholen und rutschte
doch wieder zurück, sobald er versuchte, sich nach oben zu
ziehen.
    Lusiferus zog den Handschuh wieder aus und warf einen Blick durch
das dämmrige Gewölbe. Die ruhige, behagliche Höhle
tief im Fels hatte weder Fenster noch Lichtschächte. Hier
fühlte er sich sicher und konnte sich entspannen. Er wandte sich
dem Attentäter zu, der sich wie ein langer brauner Schatten vor
der Wand abzeichnete, und sagte: »Zuhause ist es doch immer noch
am schönsten, nicht wahr?« Der Archimandrit lächelte
sogar, obwohl es niemanden gab, der ihn sehen konnte.
    Im Becken scharrte etwas, dann folgte ein dumpfer Schlag und
schließlich ein schrilles, kaum noch hörbares Winseln.
Lusiferus drehte sich um. Der Abstruse Spleißer riss die
Riesenegel entzwei und fraß sie auf. Dabei schüttelte er
seinen dicken, braun gefleckten Kopf so heftig, dass schleimige
schwarze Fleischbatzen bis über den Beckenrand geschleudert
wurden. Einmal hatte er sogar einen lebenden Egel aus dem Becken
geworfen und dabei fast den Archimandriten getroffen; Lusiferus hatte
den verletzten Egel mit einem Scherenschwert durch den ganzen Raum
gejagt und so heftig auf das Vieh eingehackt, dass tiefe Scharten im
dunkelroten Granitboden zurückgeblieben waren.
    Als es im Becken nichts mehr zu sehen gab, wandte sich der
Archimandrit dem Attentäter zu. Er schlüpfte erneut in den
Handschuh, holte einen weiteren Rüsselegel aus dem Topf und
schlenderte damit auf den Mann an der Wand zu. »Weißt du
noch, wie dein Zuhause war, Attentäter?«, fragte er und
trat ganz dicht an ihn heran. »Sind in deinem Kopf noch
irgendwelche Erinnerungen erhalten geblieben? An die Heimat, die
Mutter, die Freunde?« Endlich blieb er stehen. »Ein
winziger Rest vielleicht?« Er wedelte mit der feuchten Schnauze
des Egels vor dem Gesicht des Attentäters herum. Die beiden
witterten einander. Das kalte, zappelnde Wesen in der Hand des
Archimandriten streckte sich, um sich an das Gesicht des Menschen zu
heften, der Mensch saugte den Atem durch die Nüstern und drehte
den Kopf so weit wie nur möglich zur Seite, als wollte er in der
Wand verschwinden (es war nicht seine erste Begegnung mit einem
Rüsselegel). Doch die Stoßzähne, die sich in seine
Brust bohrten, schränkten seine Bewegungsfreiheit stark ein.
    Lusiferus folgte dem Kopf des Mannes mit dem Egel und hielt das
Vieh so dicht vor das leicht behaarte Löwengesicht, dass der
Attentäter den zuckenden, zappelnden Fleischklumpen riechen
konnte.
    »Oder hat man dir alle Erinnerungen aus dem Gehirn gerissen,
hat man dich gründlich gesäubert, bevor man dich
losschickte, um mich zu töten? Wie? Ist nichts mehr
vorhanden?« Er führte den Egel so nahe heran, dass der mit
seinen Mundwerkzeugen leicht die Nase des Mannes berührte. Der
Attentäter zuckte zurück und wimmerte vor Angst. »Was
sagst du? Weißt du noch, wie es zu Hause war, Kumpel? Eine
angenehme Umgebung,

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