Kunst des Feldspiels
Steinmauer, die die Tribünen vom Spielfeld
trennte.
»Du hast sie nicht
alle, weißt du das?« Schwartz hielt ihm einen Becher hin. »Du solltest heute
eigentlich Pause machen.«
Henrys Nasenflügel
sogen die herrliche chemische Süße des heißen Instant-Kakaos ein, aber er war
noch zu sehr außer Atem, um einen Schluck zu nehmen. »Konnte nicht schlafen.«
»Ich auch nicht.«
Sie liefen über das
Feld zum VAC , die Sonne warm in ihren Nacken, während Schwartz’ Flip Flops im
Matsch geräuschvoll schmatzten. Im VAC schnappten sie sich ihre Handschuhe,
einen Schläger, einen Eimer Bälle und einen Besenstiel. Damit liefen sie zum
Baseballfeld.
Die First Base war mit
einer Metallstange fixiert, die in einem tiefen, viereckigen Loch im Boden
verschwand. Henry zog sie heraus, warf sie zur Seite und ließ den Besenstiel in
das Loch hinab, der leicht geneigt darin stecken blieb. Um seine Stabilität zu
prüfen, schlug Henry mit der flachen Hand dagegen, leerte dann den süßlichen
Rest seines Kakaos und trabte zur Shortstop-Position.
»Was macht der
Flügel?«, brüllte Schwartz. Der Wind, der vom Wasser heraufpeitschte, machte
die Verständigung schwierig.
Henry ließ seine
Schulter im Gelenk rotieren und bedeutete Schwartz per Daumen, dass alles in
Ordnung war.
»Lass es ruhig
angehen«, rief Schwartz. »Das Letzte, was wir brauchen, ist ein lahmer Flügel.«
»Was?«
»Immer
mit der Ruhe!«
Schwartz hielt einen
Ball hoch. Henry nickte und ging in die Hocke. Der erste Ball stieg auf seiner
Rückhandseite hoch auf und landete mit einem lauten Knallen in seinem
Handschuh. Nach einer langen Nacht des Grübelns tat es gut, hier draußen aktiv
zu sein. Er platzierte den hinteren Fuß, fixierte den Besenstiel und ließ den
Arm vorschnellen. Der Ball schnitt durch den Gegenwind und traf den Besenstiel
frontal.
Es waren fünfzig Bälle
im Eimer. Siebzehn trafen den Besenstiel. Die restlichen beschrieben einen
engen Bogen um ihn herum, wie die Messer eines Zirkuskünstlers um den paillettengeschmückten
Körper seiner Assistentin. »Geht’s besser?«, fragte Schwartz, während sie ihre
Sachen zusammensuchten und sich zum Speisesaal aufmachten.
»Nicht schlecht.« Henry
nickte. »Gar nicht schlecht.«
Dienstag, Muskingum. Der Himmel war ein Tollhaus tobender, hin
und her wehender Wolken, die tiefer hängenden schmächtig und von der Farbe
frischgepflückter Baumwolle, die höheren mit düsteren Unterbäuchen, die in
unheilvolles Schwarz spielten. Niemand auf der Tribüne, abgesehen von Scouts
und pflichtbewussten Freundinnen. Die Spieler von Muskingum trugen
Langarmshirts unter ihren taubenblauen Trikots. Die Arme der Harpooners waren
nackt. Schwartz bestand darauf – man konnte sich einen psychologischen Vorteil
verschaffen, indem man so tat, als wäre man dem Wetter gegenüber immun. Indem
man so tat, als wäre man immun, wurde man es tatsächlich.
Henry bedachte seine Mitspieler mit einem prüfenden Blick, um
sicherzugehen, dass sie richtig standen, beorderte Ajay mit einem Wink einen
Schritt weiter nach links. »Sal, Sal, Sal«, skandierte er. »Salvador Dalí Dolly
Parton Pardon Monsieur.« Richtig cool war das Infield-Geplapper nicht mehr,
wenn man erst einmal auf dem College war, aber Henry konnte einfach nicht
anders. Er rammte die Faust ins weiche Innere seines Handschuhs. »Ene mene
mopel, wer frisst Popel, süß und saftig, einen Dollar achtzig, einen Dollar
zehn, und du darfst gehen.«
Sal setzte seine
linkische, abgehackte Aufwärmchoreographie in Gang. Henry ging flach in die
Hocke. Schlag ihn zu mir, betete er. Schlag ihn zu mir. Die Stunde der Vergeltung war gekommen.
Der Wurf war ein Forkball genau nach Schwartzys Geschmack, er flog niedrig und
leicht seitlich an der Base vorbei. Henry kam bereits aus der Hocke, bevor Ball
und Schläger sich mit einem blechern nachhallenden Ding begegneten. Im letzten Moment versprang der Ball an einer Unebenheit im Rasen.
Er korrigierte die Position des Handschuhs und brachte den Ball sauber unter
Kontrolle – war man vorbereitet, gab es keine üblen Aufsetzer.
Er bedeckte den gefangenen
Ball mit der rechten Hand, drehte ihn, um die Nähte zu lokalisieren. Winkelte
den Arm an und heftete die Augen auf Ricks Handschuh. Sein Arm ging nach vorn,
Zeit zum Nachdenken blieb nicht, aber er dachte trotzdem nach, versuchte zu
entscheiden, ob er den Arm schneller oder langsamer bewegen sollte. Er merkte,
wie er kalibrierte und rekalibrierte, das Ziel anvisierte und
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