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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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sie in einem Korb herunterlassen«, sagte er in Richtung Fenster, »oder
möchtest du lieber heraufkommen?«
    »Ich würde sehr gern
hochkommen, Sir.«
    »Dann beeil dich«,
knurrte Affenlight in einer Art halbernster Hommage an die Ruppigkeit von
Vätern den Verehrern ihrer Töchter gegenüber. »Der Champagner wird warm.«
    Unter gemurmelten Entschuldigungen betrat Schwartz das Zimmer,
die Stirn zwischen Bart und Baseballkappe schuldbewusst gefurcht. Er stutzte,
als er Owen sah. »Buddha. Du bist draußen.«
    »Das bin ich«, stimmte Owen zu. »Mike, das ist meine Mutter.
Genevieve, das ist Mike Schwartz, das moralische Gewissen von Westish.«
    Genevieve erhob sich
von der Couch, um Mikes Hand zu schütteln, wobei ihre Beine unter dem
marineblauen Rock aufblitzten. »Jetzt brauche ich nur noch den berühmten Henry
kennenzulernen«, erklärte sie. »Dann habe ich sie alle beisammen.«
    Affenlight, der in die
Küche gegangen war, kam mit einem Tablett voller Gläser und Flaschen zurück.
»Bitte Henry doch dazu«, sagte er. »Ich dachte, wir könnten etwas Scotch
trinken, um Owens Neuigkeiten zu feiern.«
    »Ja, rufen Sie ihn
an!«, sagte Genevieve. »Seit Jahren telefoniere ich
mit ihm, er ist praktisch mein zweiter Sohn, aber ich habe ihn noch nie
getroffen. Es ist schrecklich.«
    Mike schüttelte den
Kopf. »Er schläft wahrscheinlich schon. Der Skrimmer hatte einen harten Tag.«
    Owen erkundigte sich,
was passiert war, und Mike walzte die Geschichte wesentlich länger aus, als
Pella zuzuhören gewillt war – ein schlechter Wurf, noch ein schlechter Wurf und
so weiter.
    »Armer Henry«, sagte
Genevieve. »Klingt, als könnte er einen Drink vertragen.«
    Es war guter Scotch,
den man eigentlich nippte, aber Pella goss sich einen extragroßen Schluck ein
und vergrub sich in der Couch. Mike, Owen, Genevieve – es schien, als wollte
jeder, dem sie begegnete, über Henry reden. Auf dem Weg aus dem Speisesaal
hatte sie die Wochenendausgabe des Westish Bugler auf
einem noch nicht abgeräumten Tisch liegen sehen. »Henry greift nach der 52«, verkündete die Überschrift in Blockbuchstaben, darunter das
halbseitige Foto eines Jungen auf einem Sportfeld, der einen Ball warf. Er
hatte die Kappe tief in die Stirn gezogen und sah wie jeder x-beliebige Junge
aus, der auf einem Sportfeld einen Ball wirft.
    Als das Gespräch etwas
ins Stocken geriet, berührte sie Mike am Ellbogen und warf ihm einen
herausfordernden Blick zu. Das heißt, im Grunde war es eigentlich mehr ein
hinausbittender Blick. Er hatte in Sachen Romantik definitiv gepunktet, als er
die Kiesel an ihr Fenster geworfen hatte, auch wenn der Wurf in Wahrheit die
Granate eines Athleten, der Kiesel ein Felsbrocken und das Fenster das Gesicht
ihres Vaters gewesen waren. Doch er hatte es jedenfalls versucht, auf seine
schickliche, wenn auch linkische, bärenhafte Weise – er hatte an sie gedacht.
Und dann diese Augen, diese wunderschönen bernsteinfarbenen Augen …
    Die Augen sahen sie mit
völligem Unverständnis an. »Was denn?«, sagte er, unterbrach die Unterhaltung
und sorgte dafür, dass alle die Köpfe in ihre Richtung drehten.
    »Vielleicht sollten wir
langsam mal los.«
    Mike sah sie einfältig
an. »Wieso?«
    »Du weißt doch … Wir
wollten doch in diesen Film gehen. Diesen Film, den du sehen wolltest?«
    »Wie bitte?«, sagte er.
»Und die Gelegenheit verpassen, die präsidiale Scotch-Sammlung
durchzuprobieren? Darauf habe ich jahrelang gewartet.«
    »O ja, bitte bleibt!«,
stimmte Genevieve ein. »Ich reise morgen früh ab.«
    Damit war es
beschlossene Sache. Affenlight, erfreut, dass Mike seine Scotch-Sammlung
erwähnt hatte, brachte drei weitere Flaschen zum Vorschein. Jede wurde reihum
getestet, begleitet von einigem Gemurmel – Oh, torfig … Ah,
rauchig! – und Geräuschen allgemeinen Wohlbefindens. Sie stießen auf
Genevieves Besuch an, Pellas Ankunft, Owens Trowell und, in seiner Abwesenheit,
auf Henry. Mike, der glücklicher aussah, als Pella ihn bislang erlebt hatte,
wanderte im Raum umher und inspizierte die endlosen Bücherregale, bis er das Buch fand – die überdimensionierte, von Hand gesetzte
Arion-Press-Ausgabe von Moby-Dick , die ihr Vater im
Jahr 1985 für 1000 Dollar
gekauft hatte und die jetzt dreißigmal so viel wert war, auch wenn der Wert
eines derart heißgeliebten und edlen Gegenstands natürlich gar nicht zu
beziffern war … Bald darauf hatten Mike, Owen und Genevieve sich
versammelt, um das Buch zu bewundern und

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