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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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wieder neu
anvisierte, wie ein Armee-Heckenschütze auf fremdartigen Drogen.
    In dem Moment, als der
Ball seine Hand verließ, wusste er, dass er es versaut hatte. Rick O’Shea
versuchte den Ball vom Boden aufzunehmen, doch er prallte gegen seinen
Handschuh und holperte davon. Henry drehte dem Innenfeld den Rücken zu, blickte
zu den aufgewühlten Wolken hinauf und formte mit den Lippen sein neues
Lieblingswort: Wichser.
    Schwartzy erbat eine
Auszeit, trottete zum Wurfhügel und winkte Henry zu sich. »Alles klar bei
dir?«, fragte er, die Fängermaske auf dem Kopf nach hinten geschoben, die
schwarze Farbe unter den Augen lief ihm bereits in Schlieren in den Bart.
    »Super«, sagte Henry
knapp.
    »Sicher? Keine
Schmerzen im Flügel oder –?«
    »Dem Flügel geht’s
bestens. Mir geht’s bestens. Lass uns einfach spielen, okay?«
    »Okay«, sagte Schwartz.
»Keiner out. Schnappen wir sie uns.«
    Jetzt musste Henry einen
weiteren Fehler wiedergutmachen. Schlag ihn zu mir, dachte er mit aller Kraft. Schlag den Ball zu mir. »Sal-Sal-Salamander«, skandierte er und schlug sich voller Missmut in den
Handschuh. »Wirf die Fork-Bombe ab. Dann können Ajay und ich gleich zwei auf
einmal raushauen.«
    Sal warf einen weiteren
Forkball, einen guten. Der Schlagmann pfefferte ihn auf Henrys linke Seite. Er
schnappte sich den Ball und drehte sich zu Ajay, der bereits in Richtung Second
Base gestartet war. Bei der Entfernung war ein entspannter seitlicher Wurf
angezeigt – zehntausend Mal hatte er das schon gemacht. Jetzt aber hielt er
inne, drehte den Ball in der Hand. Den letzten hatte er zu locker geworfen, er
musste eine Schippe drauflegen – nein, nein, nicht zu fest, zu fest wäre auch schlecht. Er fasste den Ball wieder neu. Der Läufer
näherte sich, und Henry hatte keine Wahl, er musste fest werfen, richtig fest,
zu fest für Ajay, um damit bei einer Entfernung von kaum zehn Metern
zurechtzukommen. Er kriegte den Ball nicht richtig zu fassen, der stattdessen
vom Handschuh abprallte und ins rechte Außenfeld rollte.
    Nach dem Spiel ging
Henry zu Ajay, um sich zu entschuldigen.
    »Vergiss es.« Ajay
lächelte. »Wie oft ist mir das bei dir schon passiert?«
    Rick O’Shea schlug
Henry auf beide Schultern. »Kein Problem, Skrim. Passiert den Schlechtesten
unter uns.«
    »Runs, Runs, Runs!«,
brüllte jemand und trommelte gegen die hölzerne Rückwand des Unterstands.
    »Runs, Runs, Runs!
Zahlen wir’s ihnen heim! Runs, Runs!«
    Schwartzy schlug einen
Home Run. Boddington ebenfalls. Im darauffolgenden Inning leerte Henry mit
einem einzigen krachenden Schlag alle Bases. Die Unparteiischen brachen die
Partie nach sechs Innings beim Spielstand von 19:3 für die
Harpooners ab. Die Gnadenregel war eigentlich dazu gedacht, der unterliegenden
Mannschaft gegenüber Gnade walten zu lassen, aber sicher war niemand so
erleichtert wie Henry. Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich von
einem Baseballfeld an einen anderen Ort. Während der gesamten Rückfahrt kämpfte
er mit bitteren Tränen, das Gesicht an die vibrierende Innenwand des Busses
gedrückt.
    »Du musst dich da
draußen lockerer machen«, sagte Schwartzy. »Dich locker machen und es einfach
laufen lassen.«
    »Ich weiß.«
    »Hau die Dinger einfach
mit Karacho raus, als würdest du auf den Besenstiel feuern. Brich Rick die
Hand, wenn’s sein muss.«
    »Okay.«
    Draußen spulte sich die
übliche deprimierende Landschaft ab, Kühe, Werbetafeln, Läden für Feuerwerk und
Sexshops. Schwartz sprach bedächtig. »Lass es doch morgen mal ganz ruhig angehen«,
schlug er vor. »Lass das Laufen ausfallen und halt dich beim Training zurück,
so wie ich. Bringt doch nichts, wenn du dich komplett fertigmachst.«
    »Mir geht’s gut.«
    »Ich weiß. Ich meine ja
nur, wir sind nicht mehr im Vorbereitungsmodus. In den nächsten zwanzig Tagen
haben wir fünfzehn Spiele. Wir müssen Kräfte sparen.«
    Als Schwartz das
nächste Mal zu ihm hinübersah, waren Henrys Augen geschlossen, und seine Stirn
lehnte am schmuddeligen Fenster. Das nervöse Zucken seines rechten Augenwinkels
verriet Schwartz, dass er nicht richtig schlief, aber er ließ ihn nicht
auffliegen.
    Schwartz spürte, was
vor sich ging, oder zumindest einen Teil dessen, was vor sich ging: Er
entfernte sich von Henry, und er tat es mit Hilfe von Pella. Das war der Grund,
warum er sie Henry gegenüber bisher nicht einmal erwähnt hatte. Jahrelang hatte
er keine Geheimnisse vor Henry gehabt, und jetzt war es schon das

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