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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Harbach
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Affenlight
verzückt zu lauschen, der davon erzählte, wie Melville in den Mittleren Westen
gereist war, wie er selbst das verlorene und ramponierte Manuskript entdeckt
hatte und wie es infolgedessen schließlich zu der Melville-Statue und dem Namen
Harpooners gekommen war.
    Pella blieb auf der
Couch sitzen. Sie hatte ein kompliziertes Verhältnis zu den Auftritten ihres Vaters.
Tief im Innern hörte sie ihm liebend gern zu und war der Meinung, dass er
eigentlich verdient hätte, ein wirklich berühmter Mann zu sein – mindestens
Präsident von Harvard oder auch einer kleinen, aber einflussreichen ehemaligen
Sowjetrepublik. Aber die Art und Weise, wie er in bestimmten Momenten seinen
Charme auspielte und sich dann in der Bewunderung des Publikums aalte, ärgerte
sie. Natürlich war ihr bewusst, dass die Aufgabe eines Professors genau darin
bestand – sich ein Repertoire an Vorträgen aufzubauen und sie im Laufe der Zeit
zu verfeinern und so charismatisch darzubringen wie möglich; um der anderen
willen niemals den Anschein zu erwecken, man könne die eigene Stimme nicht mehr
hören. Und dennoch. Wenn man immer wieder dasselbe Seminar belegte, hatte man
es eben irgendwann satt.
    Als der Vortrag zu Ende
war, legte Mike seine große Tatze auf Pellas Hand und lächelte sie zärtlich an.
Ihr Ärger verflog, denn sie sah das Westish College jetzt mit seinen Augen. Für
sie war es eine heruntergekommene, viel zu dörfliche Universität mit
Studienplatzgarantie, an die ihr Vater sich selbst verbannt hatte. Mike
allerdings bedeutete es alles, für ihn war es Heimat und Familie, der Ort, an
dem er mit jeder Faser seines Körpers hing und der ihn, sobald das Semester
vorbei war, mit einem Fußtritt zum Teufel jagen würde. Er hatte versucht, eine
neue Heimat zu finden, eine Juristische Fakultät, die ihn aufnehmen würde, aber
es hatte nicht geklappt. Wenn Heimat dort war, wo dein Herz lag, dann war
Westish Mikes Heimat. Und wenn Heimat dort war, wo sie dich auf jeden Fall
aufnehmen mussten, dann war es auch die ihre. Sie drückte seine Hand.
    Nach einem weiteren Scotch war der Zenit des Abends
überschritten. Mike schlief im Sessel ein, eine bärtige Wange in die offene
Hand gepresst; die Bowlingkugel-Schultern hoben und senkten sich höflich.
Affenlight bemerkte, wie Pella die schlafende Gestalt betrachtete. Sie hatte
sich nie für Sportlertypen interessiert – viel zu unlocker, viel zu empfänglich
für Befehle –, aber Affenlight spürte, dass dieser hier ziemlich gute Karten
hatte. David hatte in den letzten zwei Stunden drei Nachrichten auf Affenlights
Handy hinterlassen.
    Genevieves Schulter drückte gegen seine, aber ihre Aufmerksamkeit
gehörte gerade Pella. Die beiden sahen zu Schwartz hinüber und flüsterten wie
junge Mädchen. Affenlight entschuldigte sich und trug Gläser in die Küche. Er
nahm sich ein Geschirrtuch und fegte damit ein paar Krümel von der
Arbeitsplatte. Er knipste das Licht über der Spüle an. Er knipste es wieder
aus. Er trödelte herum und wusste nicht, weshalb, oder er konnte zumindest so
tun, als wüsste er es nicht, bis Owen in den Raum kam und sich gegen die
krümelfreie Arbeitsplatte lehnte.
    »Kann ich Sie etwas
fragen?«
    »Bitte.«
    »Genevieve scheint
ziemlich von Ihnen eingenommen zu sein.«
    Affenlight täuschte ein
Lächeln vor. »Als ehemaliger Englisch-Professor sollte ich vielleicht darauf
hinweisen, dass das keine Frage war.«
    »Dann will ich direkter
werden. Sie haben doch nicht vor, mit meiner Mutter zu schlafen, oder?«
    Jenseits des
Durchgangs, keine fünf Meter von dort entfernt, wo Affenlight stand, zeichneten
sich Genevieves schlanke, schwarze Beine vor dem Sofa ab, der obere Fuß wippte
sachte, während sie die Sandale zwischen zwei Zehen baumeln ließ.
    »Nein«, sagte
Affenlight. »Habe ich nicht.«
    »Gut.«
    Owen sah Affenlight
durchdringend an, und Affenlight fühlte sich – nun, Affenlight fühlte sich wie
ein Idiot. Was würde als Nächstes geschehen? Er warf sich das Geschirrtuch über
die Schulter, zog es wieder herunter und band es sich um die Hand wie ein
Boxer. Seit der Nacht, in der er erfahren hatte, dass Pellas Mutter gestorben
war, und die Anwesenheit seiner Tochter sich von einer Kuriosität, einem
Running Gag innerhalb des Instituts, in einen Dauerzustand verwandelt hatte,
war er sich nicht mehr derart hilflos vorgekommen.
    »Du gehst«, sagte er,
womit er nicht für den Abend meinte, sondern nach Japan.
    »Ja.«
    »Wir werden

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