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Kunst des klaren Denkens

Kunst des klaren Denkens

Titel: Kunst des klaren Denkens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Dobelli
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der sie nicht weiter sinkt. Ob die Gruppe aus 20 oder 100 Leuten besteht, spielt keine Rolle mehr, der maximale Faulenzgrad ist erreicht.
    So weit, so klar. Woher aber kommt die seit vielen Jahren wiederholte Behauptung, Teams seien besser als Einzelkämpfer? Vielleicht aus Japan. Die Japaner überfluteten vor 30 Jahren die Weltmärkte mit ihren Produkten. Betriebswirte schauten sich das Industriewunder genauer an und sahen: Japanische Fabriken waren in Teams organisiert. Genau dieses Modell kopierte man – mit gemischtem Erfolg. Was in Japan ganz gut funktionierte (meine These: Social Loafing kommt dort kaum vor), war mit den andersdenkenden Amerikanern und Europäern nicht in dem Ausmaß wiederholbar. Teams sind zumindest hierzulande nachweislich besser, wenn sie aus möglichstunterschiedlichen, spezialisierten Menschen bestehen. Macht Sinn, denn bei solchen Gruppen können die einzelnen Leistungen auf die Spezialisten zurückgeführt werden.
    Social Loafing hat interessante Auswirkungen. In Gruppen halten wir uns nicht nur mit unseren Leistungen zurück, sondern auch mit Verantwortung. Niemand will schuld an den schlechten Ergebnissen sein. Ein krasses Beispiel waren die Nürnberger Prozesse gegen die Nazis, weniger brisante gibt es in jedem Aufsichtsrat oder Managementteam. Man versteckt sich hinter den Beschlüssen der Gruppe. Der Fachbegriff dafür lautet Verantwortungsdiffusion .
    Aus demselben Grund tendieren Gruppen dazu, höhere Risiken einzugehen als Einzelpersonen. Diesen Effekt nennt man Risky Shift , also eine Verlagerung hin zum Risiko. Gruppendiskussionen führen nachweislich dazu, dass riskantere Entscheidungen beschlossen werden, als die Personen allein für sich gefällt hätten. »Ich trage ja nicht die ganze Schuld, wenn es schiefgeht.« Gefährlich ist der Risky Shift bei Strategieteams von Firmen und Pensionskassen, wo es um Milliarden geht, oder in der Armee, wo Teams über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden.
    Fazit: Menschen verhalten sich anders in Gruppen, als wenn sie allein sind (sonst gäbe es keine Gruppen). Die Nachteile von Gruppen lassen sich entschärfen, indem wir die individuellen Leistungen möglichst sichtbar machen. Es lebe die Meritokratie, es lebe die Leistungsgesellschaft!

DAS EXPONENTIELLE WACHSTUM
    Warum ein gefaltetes Blatt unser Denken übersteigt

    Ein Stück Papier wird in der Mitte gefaltet, dann wieder in der Mitte gefaltet und wieder und wieder. Wie dick wird es nach 50-mal falten, sein? Schreiben Sie Ihre Schätzung auf, bevor Sie weiterlesen.
    Zweite Frage. Sie dürfen wählen: A) In den nächsten 30 Tagen schenke ich Ihnen jeden Tag 1.000 Euro. B) In den nächsten 30 Tagen schenke ich Ihnen am ersten Tag einen Cent, am zweiten Tag zwei Cent, am dritten Tag vier Cent, am vierten Tag acht und so weiter. Entscheiden Sie, ohne lang zu rechnen: A oder B.
    Sind Sie so weit? Also gut: Wenn wir annehmen, dass ein Blatt Papier ein Zehntelmillimeter dünn ist, dann beträgt seine Dicke nach 50 Faltungen 100 Millionen Kilometer. Das entspricht etwa der Distanz Erde–Sonne, wie Sie mit einem Taschenrechner leicht nachrechnen können. Bei der zweiten Frage lohnt es sich, auf Antwort B zu setzen, auch wenn A verlockender klingt. Wählen Sie A, haben Sie nach 30 Tagen 30.000 Euro verdient, bei Antwort B über zehn Millionen.
    Lineares Wachstum verstehen wir intuitiv. Doch wir haben kein Gefühl für exponentielles (oder prozentuales) Wachstum . Warum nicht? Weil die evolutionäre Vergangenheit uns nicht darauf vorbereitet hat. Die Erfahrungen unserer Vorfahren waren größtenteils linearer Art. Wer doppelt so viel Zeit aufs Sammeln investierte, brachte die doppelte Menge Beeren ein. Wer gleich zwei Mammuts über den Abgrund jagte statt nur eines, zehrte doppelt so lange davon. Es gibt kaum ein Beispiel aus der Steinzeit, wo Menschen exponentiellem Wachstum begegnet wären. Heute ist das anders.
    Ein Politiker sagt: »Die Anzahl der Verkehrsunfälle steigt jedes Jahr um 7   %.« Seien wir ehrlich, intuitiv verstehen wir das nicht. Wenden Sie deshalb einen Trick an: Berechnen Sie die Verdopplungszeit. Teilen Sie die Zahl 70 durch die Wachstumsrate in Prozent. Im besagten Fall der Verkehrsunfälle: 70 : 7 = 10 Jahre. Was der Politiker also sagt: »Die Anzahl der Verkehrsunfälle verdoppelt sich alle zehn Jahre.« Ziemlich alarmierend.
    Ein anderes Beispiel: »Die Teuerung beträgt 5   %.« Wer das hört, denkt: »Nicht so schlimm, was sind schon 5   %?« Berechnen wir

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