Kunstgriff
Makler empfehlen.«
Mit zusammengesteckten Köpfen wie zwei Verschwörer betrachteten sie ›Die Winternacht, wo die Wölfe heulen‹ und nahmen den ›Rückblick‹ nebenan in Augenschein.
»Danke, ich habe bereits einen Mieter gefunden. Hast du über die Reise nachgedacht?«
Lutz ließ ein leises Schmatzen hören. »Florenz, wie wunderbar! Die Uffizien mit Botticelli, Michelangelo, da Vinci! Ein Traum!«
Fünf Tage inklusive Flug und Fünfsternehotel für zwei Personen! Bald sollte es losgehen. Das Resultat eines Preisausschreibens, zu dem sich Norma hatte überreden lassen. Mit der erlernten Skepsis einer Privaten Ermittlerin hielt sie den Brief zunächst für einen Trick und ließ sich erst von den Ergebnissen der eigenen Recherchen davon überzeugen, dass die Reise ein sauberer Gewinn und kein fauler Zauber war. Sie hatte Lutz eingeladen, sie zu begleiten.
Den schmeichelnden Worten zum Trotz, ließ seine Stimme die Begeisterung vermissen. »Ich würde nichts lieber als mit dir fahren! Aber du kannst es dir denken. Undine.«
Im Grunde hatte Norma nichts anderes erwartet. Er dürfte sich glücklich schätzen, würde Undine ihm nur die Augen auskratzen, falls er es wagen sollte, das Angebot anzunehmen.
Ein letzter Versuch: »Ich bin deine Schwiegertochter. Nicht deine Geliebte!«
»Du bist eine Frau, Norma.«
»Was du nicht sagst! Dein Leben ist dir also lieber als mein Glück?«
Er lachte leise. Wieder ernst bat er: »Nimm es einfach, wie es ist, Norma.«
Es war hoffnungslos. Sobald die Galeristin im Spiel war, ließ der gescheite, pragmatische Lutz jede Selbstachtung vermissen.
2
Montag, der 9. Juni
Der Morgen begann für Norma wie so oft mit Yogaübungen. Auf Empfehlung einer Yogalehrerin, die sie bei ihrem letzten Fall kennenlernte, war sie davon abgekommen, sich allein mit einem Buch zu behelfen, und besuchte jeden Mittwochabend einen Kurs, in dem man auch etwas über Atem- und Meditationstechniken erfuhr. Den Vormittag verbrachte sie damit, im Internet nach Informationen über Florenz zu stöbern. Zwischendurch kramte sie auf dem Schreibtisch herum in dem Bestreben, vor der Reise Ordnung zu schaffen. Dabei fiel ihr eine Visitenkarte in die Hände. Sie erinnerte sich gut an den Mann, der sie ihr gegeben hatte: untersetzte Gestalt, Markenjeans, ein weißes Hemd unter der schwarzen Lederweste und kurz geschorene Haare. Eine aufdringliche Designerbrille auf der Durchschnittsnase im Durchschnittsgesicht. Zwei Wochen mochte es her sein. Sie prägte sich die Äußerlichkeiten des Mannes ein, während sie ihn herein bat und auf den Besucherstuhl wies, dessen Kissen sie zum Glück kürzlich erst von den Überbleibseln von Leopolds Kartäuserpelz befreit hatte. Zu dieser Stunde ließ sich der Kater nicht sehen, streunte durch die Biebricher Hinterhöfe oder hielt sein Mittagsschläfchen bei Eva Vogtländer, der Vermieterin, zu der er eigentlich gehörte und die in der mittleren Etage über den Büroräumen wohnte.
Der Besucher sah sich um, registrierte mit abschätzigem Blick die erdbraunen Fliesen, die geweißten Wände, die Reihen der Bücher und Zeitschriften auf dem gefliesten Sockel des ehemaligen Blumenladens und überreichte ihr seine Karte, bevor er sich setzte: Ralf Reisinger, Lebensmitteltechniker, dazu die Angaben vom Wiesbadener Amt und die private Adresse sowie eine Reihe von Telefonnummern und E-Mail-Adressen. Das lange Zeugnis allgegenwärtiger Erreichbarkeit und Wichtigkeit.
»Wie sind Sie auf mich gekommen, Herr Reisinger?«, begann sie das Gespräch.
»Spielt das eine Rolle?«, blaffte er.
»Was erwarten Sie von einer Privaten Ermittlerin?«
»Aufklärung, Hilfe, Unterstützung! Was soll die Frage?«
Norma lächelte ungerührt, nach ihrer Erfahrung die energiesparendste Reaktion auf arrogante Pampigkeit. »Möchten Sie einen Kaffee? Ist frisch gemacht.«
»Mit viel Milch, wenn’s geht. Mein Magen …«
Sie nahm den Topf von der Warmhalteplatte, füllte eine dicke schaumige Milchhaube auf den Kaffee und reichte den Becher weiter. Abwartend setzte sie sich Reisinger gegenüber.
»Welche Art Aufklärung erhoffen Sie sich von mir?«
»Das ist heikel.«
»Heikle Aufträge sind meine Spezialität.«
Ohne den Hauch eines Lächelns probierte er den Kaffee und wischte den Milchschaum von der Oberlippe. »Ich arbeite als Lebensmittelkontrolleur. Einer meiner Kollegen macht – sagen wir – mir Sorgen.«
Sie zog das Notebook heran und rief eine Datei auf. »In welcher
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