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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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eröffnete ihnen
einer der Geheimdienste: Er war jahrelang ein Spion!

    Zwar kann ich jedes Detail beweisen, aber ich bin ein zu
alter Hase, um nicht Vorverurteilungen zu befürchten. Bekanntlich gehe ich
einem Gewerbe nach, das in hohem Maße mit Vorverurteilungen lebt. Ich muss für
diesen Bericht sogar in eine Branche einsteigen, die in einem ungebührlich
hohen Maß Vorurteile in Bargeld umsetzt: in den Journalismus. Wie Sie sehen,
ist meine Lage vertrackt, denn eben diese Journalisten werden schneller zu
atmen beginnen und hektisch nachfragen: »Wer hat das geschrieben?«

    Ich merke, ich bin es nicht mehr gewohnt, mit der
Schreibmaschine umzugehen, ich tippe »Satd« statt »Stadt« und »veilleicht«
statt »vielleicht«. Ich könnte alles diktieren und die Bänder in ein anonymes
Schreibbüro bringen. Das ist mir jedoch zu riskant. Ich will mich also
verbergen – mit der Option, eines Tages aufzutauchen und zu bekennen: Ich bin
es gewesen!

     
    Es ist jetzt eine Stunde vor Mitternacht, die
letzten sechzig Minuten des alten Jahres verstreichen. Immer häufiger schießen
bunte Raketen in den Himmel. Ich wurde unterbrochen, weil Trude mich anrief.
Trude ist meine Frau, und sie sagte mit dieser Packen-wir’s-an-Stimme: »Hör
mal, du oller, arbeitswütiger Elefant, wann bist du morgen hier? Dann buddeln
wir aus, was auszubuddeln ist. Vielleicht mögen wir uns ja noch. Wann kommst
du?«

    »Gegen Abend. Ich muss noch was Wichtiges aufarbeiten.«

    »Und dann vier Wochen Ferien?«

    »Dann vier Wochen Ferien«, bestätigte ich.

    »Und du widerstehst auch deinem blöden Fraktionsvorsitzenden,
wenn er anruft und dich in Bonn haben will, weil das Vaterland in Gefahr ist?«

    »Ich widerstehe.«

    Dann kam eine Frage, die mich erschreckte. »Sag mal,
glaubst du, dass du noch Lust haben wirst, mit mir zu schlafen?« Sie lachte.

    Ich gebe zu, ich war geneigt, einfach mit einem lapidaren
Warum zu parieren, sagte aber dann: »Ich bin demnächst Rentner. Und soweit ich
weiß, bist du auch jenseits der fünfzig.«

    »Das macht nichts«, sagte sie hell. »Wie lange sind wir
jetzt verheiratet?«

    »Über dreißig Jahre. Ich habe jetzt nicht viel Zeit.«

    »Fahren wir, bitte, über Lausanne, Genf, Lyon, Montélimar
und so? Kann ich fahren? Und können wir in Aigues-Mortes darüber sprechen, ob
wir miteinander schlafen wollen?« Sie hatte wahrscheinlich Angst, ich würde sie
unterbrechen, und schnurrte hastig weiter: »Also, ich werde versuchen, ein
Hähnchen mit Orangen zu füllen. Ich kann natürlich nicht so gut kochen wie
Margit!«

    Du lieber Himmel! Margit konnte überhaupt nicht kochen,
und diese Geschichte ist neun Jahre her.

    »Also gut, ich komme morgen, so schnell ich kann. Und
rutsch gut ins neue Jahr!«
    Sie sagte weich: »Alles Gute im neuen Jahr, du oller Elefant.
Ich habe hier zwanzig Leute hocken, die eigentlich gehofft haben, ihren
Bundestagsabgeordneten zu sehen.«

    »Grüß sie alle von mir. Und ich freue mich darauf, mit
dir zu reden.«

    »Ich freue mich auch.« Sie seufzte und begann ganz sanft
zu weinen, aber ihre Stimme war voll von einem kleinen Glück.

     
    Der Lärm draußen geht langsam vorbei, der Himmel
wird wieder, was er meistens ist, schwarz. Das neue Jahr hat begonnen, und für
mich ist es ein besonderes Jahr. Ich werde als Abgeordneter ausscheiden und
werde es gerne tun. Ich bin es leid, für dieses Volk meine Seele zu opfern.
Einfacher ausgedrückt: Ich habe die Nase voll.

    Ich werde meinem Nachfolger Platz machen und inständig
hoffen, dass er scheitert. Ich mag meinen Nachfolger nicht, er trägt
Lederkrawatten zu Armani-Jacketts und versteht den Eindruck zu vermitteln, dass
er alle Lösungen aus dem Ärmel schüttelt.

    Letztlich scheitern die Arroganten meist an ihrer eigenen
Dummheit. Mich ärgert nur, dass ich ihm zu häufig väterlich wohlwollend
zulächle, wenn seine Plattheiten aus ihm heraussprudeln. Im Ortsverein
verkündete er unlängst: »Man muss den Menschen von heute auch zugestehen, dass
sie adrett gekleidet durchs Leben gehen wollen.« Darunter versteht er
Sozialpolitik.

    Ich habe Ihnen versprochen, mich zu verbergen. Sie vermuten,
Sie könnten mich entlarven. Sie denken: Jemand, der in der Silvesternacht in
seinem Abgeordnetenbüro hockt, ist leicht zu identifizieren. Nun, den Plan,
diesen Bericht zu schreiben, fasste ich nicht in einer Silvesternacht und auch
außerhalb meines Bonner Büros.

    Es ist richtig, ich bin seit fast zwanzig Jahren Abgeordneter
in

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