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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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hatte nachgelassen, das Licht des Tages verging
langsam.

    »Wir könnten uns einigen«, sagte Grau fest. »Du lässt
Anna ihr eigenes Leben leben und wir bemühen uns, eine eigene, neue Anna zu
haben. Könntest du darüber nachdenken?«

    »Das geht vielleicht, Grau.«

    »Es muss ja nicht sofort sein. Erst mal dein Fuß.«

    »Erst mal dein Loch in der Hüfte«, sagte sie. Sie
lächelte wieder.

    »Alles der Reihe nach«, murmelte Grau. »Eins nach dem
anderen.«

    »Ach ja, ich muss dir was sagen. Gebhard sagt, ich habe
ganz individuell weniger Schmerzen als du. Und er ist natürlich ein Sauhund und
er weiß, wir beide werden diese ganze gottverdammte Klinik
durcheinanderbringen. Er sagt, Grau, ich muss darauf achten, nicht mit diesem
blöden Fuß, den ich nicht mehr habe, irgendwo gegenzutreten.

    Und du musst darauf achten, dass du dich nicht in der
Hüfte verdrehst, weil du sonst wie eine alte Dame in Ohnmacht fällst. Er hat
uns geraten, Grau, dass ich oben bin. Ich muss immer oben sein, ich muss …
also, ich meine, dieses Nachthemd hat einen Knopf. Einen einzigen, Grau.«

Onkel Hermann spricht das Schlusswort

    Sie ahnen es schon: Ich komme zum Schluss.

    Ich hocke im Garten unseres Ferienhauses und bin höchst
zufrieden mit mir. Die Luft ist lau, vom Meer dringt das Geschrei der Möwen
herüber. Meine Frau lärmt in der Küche herum. Sie hat gesagt, sie würde etwas
»garantiert ohne Zuhilfenahme von Dosen« kochen. Sie singt schräg und laut:
»Sabinchen saß traurig im Garten …«, und ist der festen Überzeugung, ich
schriebe meine Memoiren. Soll sie das ruhig weiter glauben.

    Ich muss mich entschuldigen, dass mein Bericht so lang
und so ausgedehnt dahergekommen ist, aber ich habe eben keine Erfahrung, wie
man sich kurzfasst.

    Dieser Krieg in Berlin ist nun fast schon vergessen, die
Erinnerungen des normalen und nicht beteiligten Bürgers sind längst verblichen.
Gelegentlich wird noch über diesen komischen jungen Diplomaten gerätselt, der
mit Geld und Rauschgift nach Berlin gekommen war, um etwas in Gang zu setzen,
dessen Ausmaße er selbst nicht einmal geahnt hatte.

    Die Erinnerungen verfliegen umso schneller, je weniger
bekannt geworden ist, was eigentlich dahintersteckte. Im Grunde hat der Bürger
dieses Landes davon nichts erfahren. Ich hoffe, dass dieser Bericht diesem
unbefriedigenden Zustand ein wenig abhilft.

    Der Ausschuss des Bundestages hat versagt, wie die meisten
dieser Ausschüsse in aller Regel versagen. Natürlich wurden auch Milan und
Geronimo nicht angehört. Wörtlich sagte der Ausschussvorsitzende: »Die waren
ohnehin nur Wasserträger und hatten doch keine Ahnung, warum sie dieses oder
jenes haben machen sollen.«

    Milan hat jetzt einen Edelkiosk, direkt neben Mehmets
Haus. Dort steht er, zusammen mit seiner Sigrid, und brät polnische Würste. Er
ist so etwas wie eine lebende Legende geworden, und die jungen Männer der
Gegend, die sich gern als lederhäutige Machos verkaufen, sehen zu ihm auf wie
zu einem Helden. Er telefoniert jeden Tag mit Grau, falls der irgendwo zu
erreichen ist.

    Jedes Mal fragt Milan: »He, wann bringen wir wieder Unruhe
in die Stadt?«, und Grau antwortet stereotyp: »Warte es ab!« Zuweilen kommt
Helga Friese vorbei und er spendiert ihr eine Wurst. Sie ist nicht mehr so
hektisch, ist jetzt fest angestellte Redakteurin bei der ARD und ihre Berichte
über die deutsche Sozialpolitik sind gefragt. Sie seufzt mit fettigem Mund:
»Wann kommt Grau wieder in die Stadt?« Eine Antwort will sie gar nicht, sie ist
nur ein bisschen neidisch auf Meike.

    Natürlich werden Sie wissen wollen, was aus dem christlichen
Thelen wurde. Nun ja, er wurde sehr schnell und resolut aus dem Amt entfernt
und musste einen Revers unterschreiben, niemandem, wirklich niemandem gegenüber
auch nur das Geringste über die Berliner Ereignisse zu erwähnen.

    Irgendwann wurde er aufsässig und wollte gegen den Staat
klagen. Weil der aber wusste, dass ihm ein Arbeitsgericht möglicherweise Recht
geben und ihn wieder an seinen alten Arbeitsplatz setzen könnte, lobte man ihn
blitzschnell auf eine höchst wichtige Position. Er wurde Sicherheitsberater der
Bayerischen Staatsregierung.

    Sicherlich wollen Sie auch wissen, was aus Al White wurde.
Der kehrte gar nicht erst nach Washington zurück, weil das Gelächter dort so
gewaltig war, dass man es überall auf dem Erdball hören konnte. Er bat darum,
»an der Front Verwendung zu finden«, was in seinem Gewerbe eine sehr

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