Kurier
Bonn, es ist auch richtig, dass ich bald aus diesem Amt ausscheiden werde.
Das werden wir gleich haben!, meinen Sie resolut. Lassen Sie es lieber bleiben,
denn mit mir zusammen werden etwa zweihundert Frauen und Männer den Dienst
quittieren.
Meine Frau heißt auch nicht Trude und sie nennt mich
niemals liebevoll »oller Elefant«, wenngleich ich mir das zuweilen wünsche. Wir
haben kein Ferienhäuschen im französischen Aigues-Mortes, und soweit ich weiß,
hat meine Frau noch nie versucht, ein mit Orangen gefülltes Hähnchen zu braten.
Es ist richtig, ich hatte vor neun Jahren kurzfristig eine Geliebte, aber sie
hieß nicht Margit und wohnte nicht in Bonn.
Sie könnten jetzt auf die Idee kommen, meine Sprache zu
untersuchen, um daraus Rückschlüsse auf meine Parteizugehörigkeit zu ziehen.
Bei dem rhetorischen Einheitsbrei, den die Regierung in Bonn anrührt, ist das
ein schlichtweg aussichtsloses Unterfangen. Nachdem sich ein Abgeordneter der
Freien Demokraten von einem Fahrer des Bundestages in einen Kölner Puff fahren
ließ und den Mann vergatterte, »zwei oder drei Nümmerchen lang« zu warten,
scheint es mir unmöglich, parteispezifische Verhaltensmuster festzuzurren.
Gleiches Recht für alle, Sie verstehen schon …
Fairerweise will ich Ihnen jedoch erklären, wie ich an
die Geschichte von Jobst Grau gekommen bin. Lange bevor jemand daran dachte,
einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, habe ich die ganze dreckige Story
erfahren. Bemerkenswerterweise von einer sehr intimen Kennerin der Berliner
Vorgänge. Die Frau war sehr clever, sie kam nicht in mein Abgeordnetenbüro nach
Bonn, sondern besuchte mich in meinem heimischen Wahlkreis, in dem ich einmal
pro Monat eine Bürgersprechstunde abhalte. Ich war wütend. Ich wollte dem Mann
auf der Straße reinen Wein darüber einschenken, wie rücksichtslos Politiker in
Bonn schalten und walten. Wie sie Wahrheiten unterdrücken oder so lange hin und
her wenden, bis sie ihnen in den Kram passen.
Ich will ehrlich sein: Zunächst glaubte ich ihr kein
Wort. Ich schimpfte sie insgeheim eine hemmungslose, neurotische Spinnerin. Als
sie aber einen jungen Mann, der laut Zeitungsmeldungen einem Herzversagen
erlegen war, als »mafios getötet« bezeichnete und erklärte: »Den hat man mit
siebzehn Messerstichen umgebracht und anschließend zur Besichtigung
freigegeben«, wurde ich aufmerksam.
Entweder war die Frau total krank oder es war etwas
Wahres in ihren Worten. O-Ton der Zeugin: »Dauernd war die Rede von zwei
Männern, die bei der Brandkatastrophe umgekommen sind. Stimmt gar nicht. Die
waren schon tot, ehe der Brand gelegt wurde. Und es waren drei!« Die Frau
senkte den Stachel des Zweifels in meine Seele.
In Berlin gab es viel politischen Lärm, weil der
Bundesnachrichtendienst in froher Runde mit den verspielten Jungs vom
amerikanischen DEA (Drug Enforcement Administration. US-amerikanischer
Geheimdienst zur Drogenbekämpfung; als einziger seiner Art dem
Finanzministerium unterstellt, operiert weltweit) im Chaos versank. Es war, als
hätte man eine Horde tollwütiger Füchse durch die Stadt gejagt. Schließlich
wurde kleinlaut und hinter vorgehaltener Hand ein Untersuchungsausschuss
gefordert, und diese Frau fiel mir wieder ein.
Ich rief, deutlich mein Amt hervorhebend, aber unter falschem
Namen, den zuständigen Berliner Staatsanwalt an. Es gab einen kurzen, heftigen
Wortwechsel, den ich meinen Lesern nicht vorenthalten möchte.
»Oh«, sagte er gedehnt, »ausgerechnet ein Abgeordneter
aus Bonn! Nun ja, auch uns hat mittlerweile die Nachricht erreicht, dass Markus
Schawer keineswegs an Herzversagen starb, sondern mit ein paar Messerstichen
ins Jenseits befördert wurde …«
»Siebzehn, Herr Staatsanwalt, siebzehn!«, brüllte ich ins
Telefon.
»Das habe ich auch gehört.« Er seufzte. »Es kommt ja noch
erschwerend hinzu, dass Markus Schawer gar nicht Markus Schawer war, sondern …«
»Wie bitte?«
»Na ja, angeblich war Markus Schawer ein Jungdiplomat des
Auswärtigen Amtes und hieß in Wirklichkeit Ulrich Steeben. Aber das Auswärtige
Amt streitet das ja ab, wie Sie sicher wissen …«
»Was haben Sie denn unternommen?«
»Na ja, Anzeige gegen unbekannt erstattet, zunächst wegen
Verdachts auf Totschlag, wie immer eben.«
»Mein Gott, der Tote hatte sein Geschlechtsteil im Mund …«
»Ja, ja, das ist mir auch zu Ohren gekommen. Aber was
sollten wir denn machen? Wir haben diesen Toten ja niemals …«
»Herr Staatsanwalt,
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