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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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stumpfes Braun, ins Grau hineinspielend, ziemlich
kurz. Überhaupt viel Braun an diesem Mann. Dunkelbraune Augen, braunes Jackett,
braune Hose, braune Schuhe. Wie lange war das her? Wann ist Eichhörnchen
gestorben? September 84.

    »Im Stadtcafé, in einer Viertelstunde.«

    Grau gab sich einen Ruck, ging hinaus zum Lift und fuhr
hinunter.

    Die Sonne stand hoch und stach grell in die Augen, was
ihn blinzeln ließ. Er steuerte den Kiosk an und kaufte sich zwei Schachteln
Gauloises. Wenn er aufgeregt war, vergaß er seine Pfeifen und rauchte
Zigaretten. Er überquerte die Adenauerallee und schlenderte in den Hofgarten
hinein. Den Kopf hielt er in einem spitzen Winkel zur Erde geneigt.

    Er dachte verkrampft: Sie hatte zwanzigtausend Gesichter.
Jede Siebzehnjährige hat zwanzigtausend Gesichter. »Herr Grau, ist diese Tote
hier Ihre Tochter?« – »Herr Grau, Sie haben dem Mann beide Schlüsselbeine
zerschmettert. Warum?« Grau zündete sich eine zweite Gauloise an und trat den
Rest der ersten im roten Lehm des Parkwegs aus.

    »Haste ’n paar Groschen für ’n antifaschistischen Umtrunk?«
Ein Penner hockte inmitten eines Sammelsuriums von Plastiktüten auf dem Rasen
und lächelte zahnlos und frech. Er war sehr jung.

    »Sicher.« Grau gab ihm ein Zweimarkstück.

    Was konnte White von ihm wollen? Verbindungen in Bonn?
Vielleicht geht es ihm wie mir, vielleicht versucht er, etwas herauszufinden,
von dem er nicht einmal ahnt, was es sein könnte. Pippi Langstrumpf nennt uns
Sachensucher.

    Grau bewegte sich langsam und verkrampft vorwärts, er
wirkte wie jemand, der angestrengt gegen den Strom schwimmt. Er rauchte Kette,
aber ohne Genuss, und überlegte, ob er wohl in vierundzwanzig Stunden mit einer
drallen Metzgersfrau aus Düsseldorf darüber streiten würde, wo es das beste
Eisbein gab: bei Pablo oder Juglio.

    Das Stadtcafé war wie immer sehr voll und laut. Er fragte
sich ein wenig ratlos, warum er White ausgerechnet an diesen Ort bestellt
hatte. Dann fiel es ihm wieder ein: White liebte das Gedränge, mochte die
Masse, versteckte sich gern als Gleicher unter Gleichen. Wahrscheinlich waren
alle Geheimdienstleute so.

    Er ging in den ersten Stock hinauf und entdeckte mittendrin
einen freien Zweiertisch. Weil es heiß war, zog er das Jackett aus und hängte
es über seine Stuhllehne. Dann bestellte er sich einen Tee und ein Stück
Obstkuchen mit Schlagsahne. Die Bedienung brüllte: »Erdbeeren? Die sind
frisch!« Grau nickte. »Erdbeeren.« Verdammtes Bonn, dachte er matt. Teneriffa!
Wenn man das i scharf betonte, war es ein schöner Fluch.

    Dann sah er White. Der lehnte mit dem Rücken an einem Rollladenschrank,
in dem die Bestecke gestapelt waren. Grau benutzte das alte Zeichen. Er fuhr
sich mit der rechten Hand ans Ohr und spreizte dabei den kleinen Finger weit
ab, sodass der einen Bogen zum Auge bildete.

    White lächelte flüchtig und näherte sich langsam. Er war
einige Zentimeter kleiner als Grau, wesentlich kompakter, mit breiteren
Schultern, einem runderen Gesicht und uralten dunkelbraunen Augen über einer
schmalen Nase und einem dünnlippigen harten Mund.

    Grau grinste, als er sah, dass alles an White braun war.
Die Unauffälligkeit in Person. Ein cremefarbenes Hemd zu einer dunkelbraunen
Lederjacke, einer dunkelbraunen Hose und dunkelbraunen Slippern. Nur die
Krawatte war ein grüner Wollstreifen. »Nice to see you«, sagte er und wies auf
den Stuhl neben sich.

    »Es ist schön im alten Europa«, erwiderte White. Sie gaben
sich nicht die Hand. »Wie ist es Ihnen ergangen?«

    »Ich versuche unablässig, meiner Mittelmäßigkeit zu entfliehen.«

    White lachte. »Ich hab mich schon gefragt, ob Sie sich diese
direkte Art bewahrt haben. Sie rauchen keine Pfeife mehr?«

    »Zwei Packungen lang nicht. Wenn Sie mehr als zwei
Stunden meiner Zeit beanspruchen, kann ich Ihnen nicht dienen.«

    »Wieso? Was ist?«
    »Urlaub.«

    »Den kann man verschieben.«
    »Ich nicht.«

    »Sind Sie wieder verheiratet?«

    »Nein. Wie geht es Ihnen in Washington?«

    »Ich bin Computerfachmann geworden. Kleines Haus in
Georgetown für die Familie, die ich alle vierzehn Tage flüchtig sehe. Meine
Frau ist sauer, meine Kinder sind sauer, ich bin es auch. Da habe ich mir
gesagt: Die können mich doch alle kreuzweise. Ich mache eine offizielle
Inspektionstour. Bonn, München, Rom, Madrid. Gut, Sie zu sehen.«

    Grau verzog den Mund. »Es ist sieben Jahre her. Ich war
ein deutscher Vater mit einem süchtigen deutschen Kind,

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